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Man sieht es ihm nicht an, aber der Vogelsberg ist die größte Vulkanlandschaft Mitteleuropas. Längst erloschen – und auf dem Vulkanring-Wanderweg herrlich zu umrunden.

Wo ist er denn nun, der größte erloschene Vulkan Europas? Vom Städtchen Ulrichstein geht der Blick weit über sanfte Hügelkuppen, über Wiesen, Felder und schmale Waldstücke. Eine echte hessische Bilderbuchlandschaft. Doch wo bleiben Kegel und Krater? Karl Rudi schüttelt
lachend den Kopf. „Am Vogelsberg sieht es nicht aus wie auf dem Ätna. Eher so wie in Island. Die ganze Landschaft ist vulkanisch, steckt voller verwitterter Spalten und Schlote, aus denen bis vor 15 Millionen Jahren immer wieder Lava, Gesteinsbrocken und Asche geschleudert wurden. Materialien, die dieses Mittelgebirge geformt haben.“ Beim Abstieg weist der 69-Jährige auf den Schlossberg von Ulrichstein mit seiner Burgruine. „Dieser Berg hier zum Beispiel war ein solcher Förderschlot. Aber da muss man schon genau hingucken, damit einem das auffällt.“ Er schmunzelt. „Oder man ist mit einem guten Guide unterwegs.“

Findlinge aus erstarrter Lava

Karl Rudi ist ein guter Wanderführer. Ein sehr guter sogar, denn im Gepäck hat er viele spannende Geschichten zu Geologie, Geschichte, Flora und Fauna. Wir wandern auf dem Vulkanring, einem 119 Kilometer langen Wanderweg, der sich durch den Naturpark Vulkanregion Vogelsberg schlängelt. In sechs Tagen ist der Vulkanring zu schaffen; wir sind von Ulrichstein nach Herbstein unterwegs. Kondition ist gefragt, denn vor uns liegen 23 Kilometer, dazu einige steile Aufstiege gleich am Anfang. „Von der zentralen Höhe des Vogelsbergs entwickeln sich Flusstäler in alle Richtungen. Die sind hier im Nordwesten besonders tief. Und da müssen wir durch!“, erklärt unser Guide, während wir durch lichten Mischwald bergauf steigen. Für die Höhenmeter werden wir reichlich entschädigt. Immer wieder zeigt uns Karl Rudi Spuren der vulkanischen Vergangenheit der Region. Zum Beispiel im Basalt des Wegschotters die grünen Olivin-Einsprengsel, die mit dem Magma aus über 60 Kilometern Tiefe an die Luft geschleudert wurden. Die Lesesteinhaufen am Ackerrand, in denen man zwischen Basalt, dem vulkanischen Grundgestein, auch rötliche, verwitterte Steine finden kann. Oder die großen Gesteinsbrocken am Hang, die entstanden, als erstarrte Lavaströme in der Eiszeit auseinanderbrachen. Kurz vor Herbstein, unserem Etappenziel, kommen wir sogar an einem regelrechten Felsenmeer aus fünf, sechs Meter hohen Findlingen vorbei.

Die Feuerberge haben Spuren aus Stein hinterlassen

Und was passiert zwischen den vulkanologischen Fundstücken? Da rätseln wir über die Eierschalen von Wildvögeln am Wegesrand, staunen über Baumpilze im Wald und probieren die nussig schmeckenden Früchte des indischen Springkrauts, auch Bauernorchidee genannt. Wir erfreuen uns an den purpurroten Glocken des Fingerhuts, der am feuchten Waldrand blüht, und lassen uns am Totenköppel, einem germanischen Kultplatz und christlichen Friedhof, von Konzerten Alter Musik erzählen, die hier im Sommer veranstaltet werden. Am Totenköppel machen wir unter uralten Buchen und mit Blick bis in die Rhön ein Picknick. Es gibt Sauerteigbrot vom Bauern aus Ulrichstein, dazu Vogelsberger Wurst, kräftigen Käse und wunderbar aromatische Äpfel.

Absolut grandios: Die tollen Fernsichten

Der stete Wechsel zwischen Talgrund und Hängen, zwischen Pferdekoppeln und Viehweiden, zwischen dunklen Fichten- und lichten Buchenwäldern auf unserer Etappe sei typisch für den Vulkanring, erzählt uns Karl Rudi. Auch die grandiosen Fernsichten. „Je nach Standort könnt Ihr weit in den Spessart, ins Rheinische Schiefergebirge, in den Taunus und sogar zu den Wolkenkratzern von Frankfurt sehen! Eine echte Erfahrung“, schwärmt unser Wanderführer. Uns hingegen erfreut ein ganz anderer Anblick, als wir unser Ziel Herbstein erreichen: Es ist die Vulkantherme mit ihrem wohltuenden Heilwasser, das hier aus den Tiefen des Vogelsbergs an die Oberfläche sprudelt. Es muss ja nicht immer Magma sein.

Mehr Informationen über den Vulkanring findet ihr unter www.vogelsberg-touristik.de.

Drei Lieblingswanderungen

Wanderführer Karl Rudi kennt die schönsten Routen rund um den Vogelsberg und verrät hier seine drei Lieblingstouren.

Erzwanderwege bei Mücke

Besonders schön ist der neue Erzwanderweg Nord: Rund um ehemalige Tagebaue wird anhand von Gruben, Seilbahnfundamenten, Teichen, Schlammabsetzbecken und historischen Fotos auf Informationstafeln der Erzbergbau und seine Geschichte ganz lebendig. Dazu gelbe Lilien an den Teichufern und in der Ferne die Vogelsberghöhen. Klasse!

Geotour zum Felsenmeer bei Homberg

Kurzweilige Tour, die ich gerne mit Freunden gehe, die Kinder haben. Durch Streuobstwiesen geht es zu einer Schafstränke und weiter zur Ebene des Hohen Bergs mit Blick weit über die Lahn. Es gibt eine Plattform mit Aussicht über den größten Basaltsteinbruch Mitteleuropas, einen Erdfall, über dessen Ursache schon vor 400 Jahren gerätselt wurde. Und auf dem Weg zu den Dicken Steinen eine Sandgrube mit bunten Sanden.

Spur der Natur bei Eichelsachsen

Aus einem Berggarten mit Vogelsberger Vulkangesteinen wurde ein Wanderweg der Überraschungen: schmale Pfade in Hecken, ein Jagdschloss der ehemaligen hessischen Landgrafen, Quellen, ein Steinbruch mit den im Vogelsberg allgegenwärtigen Basaltsäulen. Und auch hier immer wieder weite Fernblicke.

Titelbild: Grüne Hügel statt glühender Lava: Die vulkanischen Aktivitäten der Vogelsberg-Region, hier am Hoherodskopf, stoppten vor sieben Millionen Jahren © Roman - stock.adobe.com

In Zusammenarbeit mit Hessen Tourismus

Wandern durch stille Mittelgebirge, alte Buchenwälder oder Streuobstwiesen, Paddeln auf der Lahn, schönstes mittelalterliches Fachwerk gucken und die Atmosphäre historischer Kurorte schnuppern – Hessen macht romantische Seelen rundum glücklich. Bei Weinwanderungen, in hessischen Metzgereien und bei „Handkäs mit Musik“, einem eingelegten Käse, kommen aber auch Genießer voll auf ihre Kosten. Gründe für einen Urlaub in Hessen gibt es genug!

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