Von Karl dem Großen bis Friedrich Barbarossa – mächtige Kaiser prägten ab 800 n.Chr. die Geschicke Europas. Über fünf Jahrhunderte agierten sie im Mittelalter als Beauftragte Gottes, unerbittliche Feldherren und geschickte Politiker. Doch wie gelangten die Herrscher einst auf den Kaiserthron? Welche Netzwerke und Lobbyisten halfen dabei? Die bis Mitte Juni 2021 stattfindende Landesausstellung in Mainz bietet Aufklärung.
Das Zentrum der Macht lag einst am Rhein. Die Region zwischen Aachen und Basel, zwischen Metz und Frankfurt a.M. galt über Jahrhunderte hinweg als politischer, wirtschaftlicher und kultureller Brennpunkt Europas. In einem Bereich von rund 100 Kilometern fanden prunkvolle Hof- und Reichsversammlungen statt, entstanden die mächtigen Kathedralen von Mainz, Worms und Speyer. Im Mittelalter war die Region die zentrale Herrschaftsbasis großer Dynastien, von den Karolingern bis zu den Staufern. Heute hat Rheinland-Pfalz somit ein riesiges kulturelles Erbe, auf dem die Landesausstellung in Mainz im Kaiserjahr 2020 basiert.
Bis Mitte Juni 2021 werden im Landesmuseum Mainz der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (GDKE) auf rund 1200 m² Fläche etwa 300 Exponate und bedeutende Dokumente gezeigt, renommierte Museen aus Nah und Fern steuerten wertvolle Leihgaben bei. Ein ideales Ziel für Kulturinteressierte. Die Ausstellung geht der Frage nach, auf welchen Säulen die Herrschaft der Kaiser im Mittelalter beruhte. Sie beleuchtet die wandelbaren Netzwerke der Macht, blickt auf dynamische Beziehungsgeflechte, politische Deals und diplomatische Manöver anhand ausgewählter Kaiserpersönlichkeiten, von Karl dem Großen über Heinrich II., IV. und V. bis hin zu Friedrich I. Barbarossa.
Die große Zeit der Kaiser im Mittelalter begann mit der Krönung Karls des Großen (800), der zugleich die Idee des antiken Kaisertums von Gottes Gnaden wiederbelebte, legitimiert durch den Papst. Heute weiß man jedoch, dass die gesalbten Herrscher nicht unumstritten mit absoluter Macht über ihr Reich regierten, sondern sich in einem spannungsvollen Machtgefüge bewegten. Über einen Zeitraum von fünf Jahrhunderten waren Kaiser, Kaiserinnen und Könige, Fürsten und Feldherren, Ritter und Reichsfürsten, Bischöfe und jüdische Gemeinschaften, Bürger und Städte eng miteinander verwoben – diese Netzwerke ermöglichten die kaiserliche Herrschaft, die einzigartig in der westlichen Christenheit war.
Zu den Säulen kaiserlicher Größe zählten Kirchenmänner wie der starke Erzbischof Willigis, der als mächtigster Mann nach dem Kaiser und Stellvertreter des Papstes im „goldenen Mainz“ residierte – unter seiner Ägide wurde die Mainzer Diözese zu einer der wichtigsten und wohlhabendsten des Reiches. Die aufblühenden Städte und ihre Bürger sorgten dank zunehmender finanzieller Kraft für die Stabilisierung der kaiserlichen Herrschaft. Zu deren wirtschaftlicher Basis trug auch ein großer Teil der Bevölkerung bei, die nach dem Prinzip der Grundherrschaft auf dem Lande arbeitete, ohne selbst davon zu profitieren.
Bedeutende wirtschaftliche Lasten trugen zudem die jüdischen Gemeinden, vor allem in Speyer, Worms und Mainz, die sich so Sicherheit von den Herrschern erkauften. Unter dem Namen SchUM (SCHpira, Uormatia und Magenza) entwickelten sich ihre hoch angesehenen Talmudschulen zur höchsten Autorität in religiös-kultischen und rechtlichen Fragen, galten über Jahrhunderte als „Wiege der Gelehrsamkeit“ im mittel-, nord- und osteuropäischen Judentum. Die Zertifizierung der SchUM-Stätten als UNESCO-Weltkulturerbe befindet sich in einer Prüfungsphase.
Gestützt wurde kaiserliche Macht schließlich auch von Rittertum und höfischer Kultur, die Ende des 12. Jahrhunderts zum neuen Ideal wurden, verbunden mit der Idee des religiös und wirtschaftlich motivierten Kreuzzugs. Den zeitlichen und thematischen Abschluss der Ausstellung bildet schließlich die Goldene Bulle von 1356 – sie regelte als kaiserliches Gesetzbuch vor allem die Modalitäten der Wahl und der Krönung der römisch-deutschen Könige und Kaiser durch die Kurfürsten bis zum Ende des Reichs anno 1806. Von der Goldenen Bulle sind bis heute sieben Ausfertigungen erhalten, das Mainzer Exemplar wird der Ausstellung vom Österreichischen Staatsarchiv Wien zeitweise zur Verfügung gestellt.
Neben der Goldenen Bulle sind im Landesmuseum Mainz weitere hochkarätige Exponate ausgestellt, teils Leihgaben von Sammlungen aus ganz Europa. Neben erlesener Goldschmiedekunst und Urkunden, die Geschichte schrieben, finden sich hier etwa das Armreliquiar Karls des Großen aus dem Pariser Louvre oder die kostbare Heiratsurkunde der Kaiserin Theophanu, die dank ihrer Vermählung mit Kaiser Otto II. im Jahr 972 Kaiserin des ostfränkisch-deutschen Reichs wurde. Weitere Highlights sind die Grabkrone der Kaiserin Gisela und die berühmte Heidelberger Liederhandschrift Codex Manesse, die als umfangreichste und berühmteste deutsche Liedersammlung des Mittelalters gilt.
Eingebunden in die Ausstellung hat die GDKE die gesamte Region, schließlich hat kein anderes Bundesland so viele Originalschauplätze zu bieten wie Rheinland-Pfalz. Im Anschluss eines Besuchs des Mainzer Landesmuseums kann man also gut zu weiteren Orten fahren, die eine große Palette von Präsentationen, Vorträgen und Führungen zum Mittelalter bieten. Dazu zählen etwa Worms mit Kaiserdom St. Peter und Jüdischem Museum, der Dom von Speyer, Ingelheim mit der Kaiserpfalz, die Porta Nigra in Trier oder Bingen und das Museum am Strom.
Im Landesmuseum Mainz lockt zudem ein umfangreiches Rahmenprogramm, etwa die Mitmachausstellung „Ritter, Bauer, Edeldame“ – an 32 Stationen lässt sich dort interaktiv das Mittelalter entdecken, am Beispiel des Lebens von Ritter und Edeldame, Händlerin und Spielmann, Handwerker, Mönch und Bauer. Digitale 3D-Modelle der Städte Mainz, Worms und Speyer sowie eine im Aufbau befindliche App „Auf den Spuren der Kaiser“ runden das Angebot ab. Nicht zuletzt gibt es spannende Vorträge, Workshops, Führungen und weitere begleitende Attraktionen.
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Titelbild: Der neunteilige Bilderzyklus "Mainzer Marienleben" stellt das Leben der Gottesmutter Maria dar © Radek Brunecky
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