In Zusammenarbeit mit der Welterberegion Wartburg Hainich

Er bot Kaiser und Papst die Stirn, wurde zum Ketzer erklärt und schrieb im Schutze der Wartburg einen Weltbestseller, der die deutsche Sprache maßgeblich prägte. Zum 500-jährigen Jubiläum von Martin Luthers Neuem Testament wurde auf der Wartburg eine spannende Sonderausstellung vorbereitet, die viele Fragen aufwirft und noch mehr beantwortet.

Bis tief in die Nacht war das Kratzen der Feder über das unebene Pergament zu hören. Während die Einwohner der Stadt Eisenach am Fuße des Bergfrieds, auf dem die Wartburg thront, längst in ihren Betten lagen, flackerten in einer kleinen Kammer in der Vogtei noch die Kerzen. Hochkonzentriert arbeitete sich Martin Luther Wort für Wort durch die lateinische und griechische Fassung des Neuen Testaments – übersetzte, strich durch und schrieb um. 

Viel Ablenkung hatte der Mönch während seiner Arbeit nicht, denn er war bis auf einen Wachmann und einige Bedienstete allein auf der Wartburg. Die Ludowinger, die die Burg 500 Jahre zuvor gegründet hatten, waren ausgestorben und die Wettiner, die sie ab dem 15. Jahrhundert besaßen, nutzten sie nur als Nebenresidenz. Nur wenige seiner Freunde wussten von seinem geheimen Aufenthaltsort und zu seinem Schutz verließ er sein Refugium nur wenige Male. 

Um der Einsamkeit zu entkommen, stürzte Luther sich in das Mammutprojekt, 680 Seiten mit 140.000 Wörtern innerhalb von elf Wochen in die Deutsche Sprache zu übersetzen. Teile des Neuen Testaments gab es schon auf Deutsch. Doch die Übersetzungen wurden wörtlich angefertigt und waren für den normalen Leser unverständlich. Luther wollte das Testament in jenes Deutsch übersetzen, das auf der Straße gesprochen wurde und somit allen einen Zugang zu Gottes Wort ermöglichen. Dass das Wort „übersetzen“ hier im weiten Sinne zu verstehen ist, wird auch bei der Jubiläums-Ausstellung „Luther übersetzt. Von der Macht der Worte“ deutlich.

Denn Luther übersetzte nicht nur, er interpretierte und erschuf starke, neue Wörter wie Nächstenliebe, Herzenslust und Ebenbild: Bedeutungsvolle Ausdrücke die auch heute noch verständlich sind. Doch was hat es mit anderen Begriffen und Sprichwörtern auf sich? Wie hat sich die Sprache im Laufe der Zeit verändert? Welche Macht haben die Worte der Vergangenheit und Gegenwart? Und wie schaffen es die heutigen Bibelübersetzer:innen, Gottes Wort in unsere heutige Sprache zu „übersetzen“? Denn so wie Luthers Bibel damals die deutsche Sprache prägte, so beeinflusst heute die deutsche Sprache die Bibel. Denn Luthers 500 Jahre altes Ziel ist auch heute noch gültig: die Bibel soll verstanden werden.

Die Ausstellung handelt von Wort und Schrift, von Sprachgewalt und Sprache. Und sie gibt den Gästen die Möglichkeit, sich selbst an Übersetzungen zu versuchen und an interaktiven Stationen zum Beispiel die historische Jugendsprache mit der heutigen zu vergleichen. 

Es macht Spaß, sich in der Kulisse der Wartburg mit diesen Fragen zu beschäftigen. Luthers Geist, sein Genie und seine Schaffenskraft scheinen in der kleinen Kammer in der Vogtei der Wartburg nahezu greifbar zu sein – in der Ausstellung in den Monaten Mai bis November 2022 noch mehr als sonst. Denn man beschäftigt sich nicht nur mit dem Mann und seinem Weltbestseller, sondern auch mit etwas ganz Greifbarem: der deutschen Sprache, die dank Luther heute so ist, wie wir sie kennen.  

Hier könnt ihr mehr über die Wartburg lesen.

Mit der Bahn bequem und ohne Stau nach Baden-Baden: Anreise planen.

Weitere Artikel aus Thüringen