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Mit der Bahn und ohne Staus bequem nach Weimar.
In Weimar gibt es besonders viele UNESCO-Welterbestätten. Wir haben sie alle einmal in Szene gesetzt – und wünschen viel Spaß, Weimar auf diese besondere Art zu entdecken.
Ein heftiges Schicksal, das dieses preußische Mädchen fernab der Heimat ereilt – zumindest aus dem Blickwinkel des 21. Jahrhunderts: Anna Amalia heiratet mit 16, wird mit 18 Mutter und mit 19 Jahren ist sie schon Witwe. Als die Prinzessin im Stadtschloss zu Weimar ihren zweiten Sohn zur Welt bringt, lebt ihr Mann, Herzog Ernst August II. Constantin von Sachsen-Weimar-Eisenach, schon ein Vierteljahr nicht mehr. Sie muss ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen.
Weil er an Tuberkulose leidet, schickt man Ernst August II. Constantin nämlich bei Volljährigkeit eiligst auf Brautschau. Die Wahl fällt auf Anna Amalia aus Braunschweig, die Nichte Friedrichs des Großen. Mit ihrem Gatten teilte sie immerhin die Liebe zu Kunst und Kultur. Die beiden errichten ein Hoftheater und wohnen dreimal wöchentlich Aufführungen bei, manchmal auch im Naturtheater und in den Parks von Schloss Belvedere. Es lohnt sich, an schönen Tagen durch den weitläufigen Park von Belvedere mit seinem Russischen Garten und dem Irrgarten zu streifen.
Was macht eine 19-Jährige, die plötzlich alleine mit zwei Kleinkindern dasteht? Wie entgeht sie der drohenden Entmachtung? Vehement kämpft die junge Frau dagegen, dass man einen fremden Fürsten zum Vormund ihres ältesten Sohnes holt und bringt den Kaiser in Wien dazu, sie als Herzogin anzuerkennen, bis Stammhalter Carl August erwachsen ist. Eine Frau an der Spitze des Herzogtums Weimar-Sachsen, das ist damals eine kleine Revolution! Anna Amalia macht ihre Sache gut – und sie tut der Nachwelt einen großen Gefallen, als sie als Lehrer für ihre Söhne Christoph Martin Wieland engagiert – und damit das klassische Zeitalter in Weimar einläutet.
Anna Amalia ist 36 Jahre jung, als sie, wie geplant, abdankt und sich ganz ins Wittumspalais zurückzieht, ein großzügiges Wohnhaus mitten in der Altstadt von Weimar. Hier hat sie seit dem großen Brand des Stadtschlosses 1874 winters ohnehin schon gewohnt, während sie die Sommer lieber auf Schloss Tiefurt oder Schloss Ettersburg weilte. Im Wittumspalais können Besucher auch das große Eckzimmer besichtigen, in dem Anna Amalia ihre Tafelrunden abhielt. Hier traf sich eine bunte, an Literatur, Kunst und Wissenschaft interessierte Gesellschaft – darunter Prominente wie Wieland, Goethe und Herder und Schiller. So streng, wie Anna Amalia auf Gemälden aussieht, ist sie gar nicht nicht gewesen: Sie schnupfte Tabak und liebte Glücksspiele. Bei Bällen im Schloss tanzte Anna Amalia oft bis zum Morgen.
Gut möglich, dass er bei seiner Ankunft am 7. November 1775 nicht sehr begeistert von Weimar ist. Johann Wolfgang Goethe, 26 Jahre alt, kommt aus dem viel größeren Frankfurt und landet nun in einem Nest, das mit dem heutigen Weimar noch nicht allzu viel gemein hat. Noch dazu ist das Schloss eine Brandruine. Der Grund für seine Reise: Anna Amalias Sohn Carl August, gerade zum Herzog gekürt, braucht einen Ratgeber. Die beiden wandern, reiten und betrinken sich zusammen. Goethe, der sich stets nach der neuesten Mode kleidet und der wohl auch recht gut aussieht, wird Geheimer Legationsrat, Herder auf Goethes Vorschlag Superintendent. Sein Wohnhaus und die Stadtkirche St. Peter und Paul, heute auch Herderkirche genannt, gehören ebenfalls zum UNESCO-Ensemble „Klassisches Weimar“.
Der Dichterfürst aus Frankfurt kümmert sich um Kriegs- und Wege-Belange ebenso wie ums Finanzwesen. Er baut als Bibliothekar die Herzogin Anna Amalia Bibliothek mit ihrem berühmten Rokokosaal aus, gestaltete den Park an der Ilm mit dem Gartenhaus, das er selbst in den ersten Jahren bewohnt, und lässt das Römische Haus bauen.
In Goethes Wohnhaus am Frauenplan hat Goethe schon fast ein Jahrzehnt zur Miete gewohnt, als der Herzog es für ihn kauft. Der Dichter kann das Haus nun umbauen und die Räume nach seiner eigenen Farbenlehre gestalten. In der ganz modern gestalteten Ausstellung „Lebensfluten – Tatensturm“ im Goethehaus kann man Seiten aus den Wirtschaftsbüchern des Dichterhaushalts – und viele andere Originaldokumente – betrachten. Die Schau ordnet das Schaffen Goethes nach Themen und stellt es in einen Zusammenhang zur Zeit. Anschließend empfiehlt sich ein Rundgang durch die Wohn- und Repräsentationsräume des großen Mannes.
Jeden Morgen trinkt Johann Wolfgang von Goethe um 6 Uhr seinen Frühkaffee und verfasst bis 14 Uhr Briefe und Literarisches. Der Nachmittag ist Besuchen gewidmet, am frühen Abend unternimmt Goethe Spaziergänge und besucht das Theater. Nach Einbruch der Dunkelheit sitzt er noch bis 22 Uhr am Schreibtisch. Doch keine Bange: Ein überaus reichhaltiger Speiseplan versüßt dem Mann, der offensichtlich auch genießen kann, den streng reglementierten Alltag. Das erste Gläschen Madeirawein gibt es bereits um 10 Uhr.
Die Särge der beiden späten Freunde Schiller und Goethe stehen nebeneinander in der Fürstengruft, die von einem historischen Friedhof mit alten Bäumen und ins Grüne gesunkenen Grabsteinen umgeben ist. Diese letzte Ruhestätte der Weimarer Herzöge liegt nördlich des Goethehauses. Ein Besucher hat eine rote Rose zu den Särgen der Dichter gelegt. Ob er wusste, dass Schillers Sarg leer ist? Im Jahr 2008 stellte ein internationales Forscherteam fest, dass die sterblichen Überreste im Sarg nicht die des Dichters sind.
Da die Gebeine also fehlen, können Forscher leider auch nicht mehr herausfinden, woran Friedrich Schiller so jung starb. War es die Tuberkulose? Oder kam eine Schwermetall-Vergiftung hinzu, die er sich im eigenen Wohnhaus zugezogen haben könnte? Die Analyse von alten Tapetenresten nährt diese Vermutung. Heute besteht beim Besuch des Schillerhauses natürlich keine Gefahr mehr. Oben auf dem Schreibtisch des Meisters im zweiten Stockwerk von Schillers Wohnhaus stehen Kerzenhalter, Uhr und Globus. Auf dem Schreibtisch liegen der Federkiel auf einem beschriebenen Papierbogen – mit etwas Fantasie kann man denken, der „Räuber“-Dichter sei sich nur eben einen Kaffee holen gegangen.
Da hätte selbst der junge Goethe gestaunt: Im Sommer 1919 kommen viele junge Künstlerinnen und Künstler in die Klassikerstadt. Manche von ihnen sind etwas exzentrisch gekleidet, fast alle haben sie neue Vorstellungen von Kunst und Design im Kopf. Nachts feiern sie rauschende Feste im Ilmpark. Viele Weimarer Bürger sind empört über diese Bauhäusler, die nach Weimar strömen, seit Walter Gropius Chef der Kunstgewerbeschule ist.
Wagen wir also einen letzten Zeitsprung und reisen kurz ins frühe 20. Jahrhundert: Denn auch das Hauptgebäude der Bauhaus-Universität und die ehemalige Kunstgewerbeschule, die der Belgier Henry van de Velde in Weimar erbauen ließ, sowie das 1923 von Georg Muche entworfene Haus Am Horn gehören heute zu den berühmten Welterbe-Schätzen Weimars. Anders als bei Goethe und Schiller braucht es im Falle des Bauhauses noch fast ein halbes Jahrhundert, bis den Menschen in Deutschland klar ist, dass die kleine, beschauliche Stadt Weimar mit dem Staatlichen Bauhaus Weimar in Sachen Kultur einmal mehr Weltgeschichte geschrieben hat.
Tipps, wie ihr komfortabel und günstig im Fern- und Nahverkehr der Deutschen Bahn reist, findet ihr übrigens hier.
Titelbild: Goethe-Schiller-Denkmal vor dem Deutschen Nationaltheater Weimar – Goethe hält als Zeichen des Erfolgs einen Lorbeerkranz in der Hand © Gregor Lengler
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