Mit seinem erhobenen Arm steht er da, hoch über dem Land: Das Hermannsdenkmal gehört zu den größten Statuen Europas und gibt diesem Landstrich heute seinen Namen: Land des Hermann. Dort verbergen sich weitere Ziele, die zum Nachdenken anregen, allen voran die mystischen Externsteine. Und in den Städten erzählen die alten Mauern Geschichten von Hexenverfolgung, kreativen Köpfen und Weltreisenden.
Er lächelt leicht. Das gezogene Schwert gen Himmel gerichtet und die Augen in die Ferne, so steht er da, als wolle er sagen: Sehet her. In Siegerpose präsentiert sich Arminius, der Cherusker – heute eher als Hermann bekannt. Es ist ein pompöses Denkmal, das größte in Deutschland, das bei Detmold in grüner Kupferpatina über dem Land thront. Ob es wohl jemandem aufgefallen ist, wie sehr dieses Monument der New Yorker Freiheitsstatue ähnelt?
Während Miss Liberty, die ebenfalls mit erhobenem Arm und barfüßig auf einem monumentalen Sockel, Besucher aus allen Teilen der Welt anlockt und mit ihrer Fackel nicht nur den Freiheitsgedanken, sondern zugleich auch den Nationalstolz der US-Amerikaner befeuert, ruft das Detmolder Hermannsdenkmal eher gemischte Gefühle hervor, wie wohl jedes Denkmal in Deutschland, das Patriotismus befeuern könnte. Ganz abgesehen davon, dass das Denkmal gar nicht am Platz der Schlacht steht. Kalkriese war wohl eher der Ort, an dem die Germanen einst die Römer besiegt haben. Dennoch: All den Erinnerungen an „deutsches Heldentum“, die im Bismarck-Reich gepflegt, all den Monumenten für „germanischen Mut und Tapferkeit“, die damals errichtet wurden, wohnt ein Beigeschmack inne, der Teil deutscher Erinnerungskultur geworden ist. Wie das Hermannsdenkmal sind auch die Externsteine davon betroffen, beides herausragende Sehenswürdigkeiten des Teutoburger Waldes und beide immer mit Rückblick in die Vergangenheit verbunden.
Viele Mythen ranken sich um die Felsen bei Horn-Bad Meinberg. Eingebettet in einen Wald, dessen knorrig wachsende Bäume und malerischen Hohlwege allein schon wie auf einem Spitzweg-Gemälde wirken, birgt der erste Anblick der Externsteine stets überraschende Momente. Plötzlich tauchen sie auf, wie aus dem Nichts. Möglicherweise ist es dieses Unmittelbare, Überraschende, das die Menschen seit jeher fasziniert hat. Wenn sich dort in der Nacht zum 1. Mai Tausende treffen, um zu singen, zu beten oder einfach zu feiern, hat das für einige Beobachter einen leichten Beigeschmack. Denn die völkisch-rechte Szene sieht die Steine noch immer als germanisches Heiligtum an und nutzt sie, wie die Nazis einst auch, für ihre Propagandaveranstaltungen. Dieses Dogma über die gesamte Region zu stülpen, würde ihr nicht gerecht werden, zu quirlig und ideenreich beweist sie, dass sie in Technik und Fortschritt im 21. Jahrhundert angekommen ist und Überraschendes zu bieten hat.
Wellness und Erholung – das ist ein Bereich, für den der Teutoburger Wald berühmt geworden ist. Der Gräfliche Park in Bad Driburg etwa, dessen Entstehung auf eine Ansiedlung bei einem Heilbrunnen zurückgeht. 1593 wurden dort die mineralhaltigen Quellen entdeckt, aber erst gut 70 Jahre später nutzte man sie als Kurwasser. Die alte Lindenallee, die im Jahre 1669 zur Heilquelle führte, ist längst abgeholzt, doch neue Linden wurden gepflanzt und durch eine rechtwinklige Allee ergänzt. An ihrem Schnittpunkt liegt die Heilquelle, das Herz des Kurbetriebs. Verschlungene Wege, kunstvolle Blumenbeete, exotische Bäume und gezielt eingesetzte Wasserflächen machen das Grün zu einem ganz besonderen Ort der Entspannung. Geführt wird der Park bis heute vom Grafenpaar von Oeynhausen-Sierstorpff.
Geht es um Heilbäder, liegen sie wie Perlen auf einer Kette am Rande des Teutoburger Waldes. Eines ist Bad Lippspringe. Es muss wohl ein kühler Tag gewesen sein, als Bauarbeiter im Jahre 1832 an der Burgruine eine dampfende Quelle fanden. Die neue Arminiusquelle tritt immerhin mit mehr als 20 °C aus der Erde aus und wird bis heute gegen Magen-, Darm- und Stoffwechselerkrankungen genutzt. Andere, wie die namensgebende Hauptquelle der Stadt, sind eher zum Anschauen da; sie mit einem Quellteich, der im Volksmund auch „Odins Auge“ genannt wird. Der Sage nach soll sich der germanische Gott einst sein Auge herausgerissen und auf die Sennelandschaft geworfen haben, um sie vor Trockenheit zu schützen. Wieder so eine typische Geschichte für den Wald, der so viel deutsche Geschichte und Geschichten in seinem Namen trägt wie kaum eine andere Region.
Neben den Bädern und Wellnesseinrichtungen erlebt man den Teutoburger Wald hervorragend bei einer Tour auf dem Hermannsweg. Rucksack auf und Wanderschuhe geschnürt – und los geht es. Mit jedem Schritt bleiben Alltag und Hektik zurück. „Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen“, wusste schon Johann Wolfgang von Goethe. Einfach nur den Schildern mit dem großen „H“ folgen und schon stimmt die Richtung. Wer in Rheine startet, wird möglicherweise erst einmal ernüchtert in die eher flache Landschaft blicken, die sich vor ihm auftut. Doch das ändert sich schnell. Bergig wird es erst ab der zweiten Etappe, bei der die Dörenter Klippen passiert werden, eine teilweise sehr spektakuläre Felsformation mit Solitärsteinen, die Geschichten zu erzählen scheinen, wie etwa das Hockende Weib. Der Buchenwald hat dabei zu jeder Jahreszeit seinen Reiz, im Sommer wie im Winter gleichermaßen. Was anfangs so leicht aussah, entpuppt sich nach und nach als anspruchsvoll. Über Schluchten und Steigungen geht es gen Bielefeld und weiter über Detmold in Richtung Externsteine. Immer wieder liegen wunderschöne Panoramapunkte auf dem Weg, sei es die Sparrenburg, die Schwedenschanze oder der Aussichtsturm Eiserner Anton. Und irgendwie ist es ein herrliches Gefühl nach 156 km und acht Etappen quer durch den Teutoburger Wald anzukommen im Leopoldstal bei Horn-Bad Meinberg.
Titelbild: Geheimnisvoll: die Externsteine, bis zu 40 m hohe Sandsteintürme, die im Wald bei Horn-Bad Meinberg aufragen © picture alliance / DUMONT Bildarchiv | Peter Hirth
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