Drei Spiele in der Vorrunde und ein Spiel im Achtelfinale der Europameisterschaft werden in Leipzig ausgetragen, der Heimat des Red-Bull-Imperiums. Der Verein existiert zwar erst seit 2009, aber ist sowohl in der Bundesliga als auch international längst ein Faktor. Die Fußballbegeisterung hat in Leipzig eine wesentlich längere Tradition. Und so wird es eine Freude sein, die Fans aus Kroatien und Italien, aus Portugal und Tschechien sowie aus Holland und Frankreich in der Stadt zu begrüßen. Leipzig ist vorbereitet! 

1. Tag

10 Uhr. Auch wenn gemeine Fußballfans nur selten einen Blick für die historischen Schönheiten einer Stadt übrig haben – beim Alten Rathaus und dem Marktplatz davor dürfte das anders seien. Der Platz ist ein Wahrzeichen Leipzigs, das Ensemble gehört zu den schönsten Renaissancebauten in Deutschland. Dieser Ort ist auch der Treffpunkt der LeipzigerInnen, die in der benachbarten Mädler-Passage einkaufen oder in einem der gutbürgerlichen Restaurants der Umgebung speisen wollen. Um eine erste Duftnote von Leipzig zu erhalten, wäre der Besuch des Alten Rathauses sicher eine gute Idee für die Fans aus Europa. Zumal der Ort auch groß genug ist, um rivalisierende Fan-Gruppen locker voneinander zu trennen. 

12 Uhr. Gastronomisch hat Leipzig viel (eigenes) zu bieten. Vermutlich wissen PortugiesInnen oder NiederländerInnen nicht, was es mit Leipziger Allerlei auf sich hat. (Wir reden über ein traditionelles Gemüsegericht, das meistens als Beilage gereicht wird.) Auch der sächsische Sauerbraten mit Rotkohl und Klößen wird in Leipzig gerne angeboten. Verbinden kann man das ganz smart mit dem Besuch der Gosenschenke Ohne Bedenken im Leipziger Norden. Hier wird das klassische Leipziger Bier ausgeschenkt, die obergärige Gose. Ein säuerlich-salziges Weizenbier, das seit dem 19. Jahrhundert in Leipzig reüssierte. Nicht jeder weiß warum … Doch seitdem die hippe Craftbeer-Szene es wiederentdeckt hat, wird es auch aktuell wieder populärer. In der Gosenschenke Ohne Bedenken in der Menckestraße reicht man dazu hausgemachte Sülze oder Rostbrätl. Auch in der Craft-Beer-Bar Dr. Hops ist die Gose zu haben, neben mehr als 100 anderen Bieren. 

15 Uhr. Gleich fünf unterschiedliche Wasserläufe ziehen sich durch die Wasserstadt Leipzig, mehr als 150 Kilometer können auf dem Stadtgebiet theoretisch mit dem Paddelboot durchquert werden. Das beliebteste Gewässer allerdings heißt nicht Pleiße, Weiße Elster, Luppe, Parthe oder Nahle. Nein, es ist der Karl-Heine-Kanal, den die LeipzigerInnen nutzen wie einen Prachtboulevard. Ursprünglich sollte der künstliche Wasserweg mal bis zur Saale führen, doch auch die drei Kilometer, die der Kanal unter 15 Brücken hindurch quer durch den Leipziger Westen hinlegt, sind bereits eine Augenweide. Und damit Paddelfaule motiviert werden, diesen wunderbaren Ausflug mit dem Boot (überall zu leihen) auch in Angriff zu nehmen, sei ihnen verraten: Auf der Strecke warten sehr viele idyllische Cafés auf durstige WasserfreundInnen. 

18 Uhr. Drunter macht es Leipzig architektonisch und kunstgeschichtlich einfach nicht: Der Augustusplatz am östlichen Innenstadtring ist mit stolzen 40 000 Quadratmetern einer der größten Stadtplätze in Deutschland. Mit dem Gewandhaus, der Oper und dem Paulinum versammeln sich gleich drei der wichtigsten Leipziger Sehenswürdigkeiten um den Augustusplatz herum. Da werden die Fußballfans aus Europa Augen machen, denn der Augustusplatz ist auch der Ort, in dem in Leipzig die Fan Zone der Euro 24 eingerichtet wird. Die Stadt Leipzig verspricht ein attraktives Programm aus Sport und Kultur, auf zwei Leinwänden werden alle Spiele der EM gezeigt. Auch hier ist der Eintritt frei, bis zu 15 000 Fußballfans finden Platz. 

20 Uhr. Nicht selten hört man von jungen LeipzigerInnen, dass ihre Stadt das nur eine Stunde entfernte Berlin in Sachen Partyhochburg und Club-Qualität längst überholt habe. Ein Besuch im Täubchenthal in Plagwitz im Leipziger Westen liefert zumindest keine Argumente gegen diese These. In einer alten Spinnerei ist ein originelles und sehr geräumiges Club-Areal entstanden. Man kann draußen unter Lichterketten auf Liegestühlen fläzen oder in der alten Fabrik eine Tanzparty feiern. Kulinarisch arbeitet man mit Pommes und ähnlichen kulinarischen Spezialitäten gegen die schlichte Unterversorgung an, aber wer will schon Fine Dining, wenn man nur einen 10 Minuten Tanz-Break einlegen möchte? Feiner Ort. 

2. Tag

10 Uhr. Nach der langen Partynacht gestern, dürfte heute ein gemächlicher Schlenderspaziergang mit einem soliden Frühstück der beste Start für einen weiteren Tag in Leipzig sein. Da bietet sich sofort das Waldstraßenviertel an, Deutschlands größtes zusammenhängendes Gründerzeitviertel. Zu sehen sind das älteste erhaltene Wohnhaus in Leipzig, diverse Jugendstilgebäude und auch ein Naturkundemuseum. Auch für das versprochene Frühstück findet sich ein historischer Ort: Das Mückenschlößchen ist eine gut erhaltene Gaststätte mit Biergarten, sächsische und bayerische Speisen stehen auf der Karte. Wer es etwas moderner schätzt, findet mit dem Café Dankbar einen originellen Ort, der früher mal eine Metzgerei war. Aus der Zeit stammt noch die schmucke Art Deco-Decke.  

13 Uhr. Cossi nennen die LeipzigerInnen ihren beliebtesten Badesee liebevoll. Der Cospudener See ist rund 400 Hektar groß und liegt am südlichen Stadtrand Leipzigs. Bei warmem Wetter im Sommer ist er der Sehnsuchtsort für jung und alt in Leipzig. Man kommt schnell hin, und das maritime Lebensgefühl am Cossi stellt sich schon nach wenigen Minuten am Ufer des Sees ein. Wer sich sportlich ausleben will, kann den rund 10 Kilometer asphaltierten Rundweg um den See joggend oder auf dem Rad angehen. Oder, ganz verrückte Idee: Man paddelt aus dem Zentrum Leipzigs mit einem Paddelboot die sechs Kilometer bis zum Cossi. Wäre aber eine knifflige Entscheidung, denn nach einem längeren Aufenthalt am See und einigen kühlen Erfrischungen in den Cafés, gefällt einem womöglich der Gedanke an die sechs Paddel-Kilometer retour nicht mehr so gut. 

15 Uhr. Das passt ja. Gleich neben dem Leipziger Südfriedhof steht das imposanteste Denkmal Leipzigs, das Völkerschlachtdenkmal. Nun haben Fußballfans aus ganz Europa eher selten das Bedürfnis, sich Denkmäler anzusehen, zumal sie in diesem Fall noch etwas Zeit und Strecke investieren müssten. Tatsächlich aber ist das 1913 eingeweihte Völkerschlachtdenkmal einen Blick wert. Mit 91 Metern Höhe ist es das höchste Denkmal in ganz Europa, ein wuchtiger Bau, der neben dem Alten Rathaus das wohl bekannteste Wahrzeichen der Stadt ist. Das bestbesuchte auf jeden Fall. Es existiert eine Aussichtsplattform auf dem Denkmal, der Panoramablick auf Leipzig ist überwältigend. Die schlechte Nachricht: 364 Stufen sind zu gehen. Dieser Weg wird kein leichter sein …

18 Uhr. Kreatives Leipzig. Ein weiterer Beweis, wie gut und effektiv die Stadt mit ihren alten Industrieanlagen verfährt, ist das Westwerk im szenigen Stadtteil Plagwitz. Das ehemalige Industrieareal wird seit Jahren belebt von allerlei KünstlerInnen, HandwerkerInnen, Medienschaffenden und gastronomischen Betrieben. Es ist ein wenig wie ein Taka Tuka-Land für Erwachsene, ein ganz vorzügliches Restaurant gibt’s mit dem Kaiserbad auch. Unverputzte Backsteinwände wie in New York, gemütliche indirekte Beleuchtung, kleine, aber feine Küche. Unbedingt empfehlenswert.

20 Uhr. So bunt kommt man so bald nicht mehr zusammen. In der Leipziger Südvorstadt treffen sich am Abend junge StudentInnen, mittelalte Kreative und zuweilen auch stramm gebliebene SzenegöttInnen. Die Südvorstadt ist the place to be, wenn es ums stabile Feiern geht, ums gute Essen und um Kultur, die sich nicht in großen Hallen wiederfindet. An einem schönen Sommerabend flirrt hier die Luft, NaTo oder Feinkost heißen die populärsten Läden, wobei zur Feinkost noch das jährliche Sommerkino gehört. Im Grunde muss man nicht lange nach seinem Laden suchen. Einfach die Karl-Liebknecht-Straße (unter Einheimischen nur Karli genannt) entlanglaufen und sich irgendwann entscheiden, welches Etablissement es denn heute gerne sein darf. Fehler ausgeschlossen. 

Copyright Titelbild: Leipzig ist Sachsens größte Stadt und hat eine lebendige Kunst- und Kulturszene © Philipp Kirschner

Geschrieben von Harald Braun

Der Reise- und Kulturjournalist Harald Braun, gebürtiger Rheinländer, lebt in Schleswig-Holstein auf dem Land, flüchtet im Winter regelmäßig nach Australien, mag den FC St. Pauli, Südtirol und immer häufiger auch ausgewählte Ecken in Deutschland, die er neuerdings entdeckt – wie den Hafenkran „Greif“ vor der Elbphilharmonie, in dem man vorzüglich übernachten kann.

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