Die Schalker Arena kommt während der Europameisterschaft in Deutschland viermal zum Einsatz. Unter anderem werden sich die Teams aus Serbien, Italien oder Portugal darüber freuen, dass das Dach der Arena bei schlechtem Wetter einfach geschlossen werden kann. In diesem Fall wird es noch ein wenig lauter als ohnehin schon in der Arena, die üblicherweise von Schalke 04 bespielt wird. Was hat Gelsenkirchen für die anreisenden Fans zu bieten?

1. Tag

10 Uhr. Gelsenkirchen gilt als ehrliche ArbeiterInnenstadt mit Herz, mitten im deutschen Ruhrgebiet. Architektonische Schönheit und romantischen Liebreiz sucht man hier meist vergebens. Das heißt aber nicht, dass Gelsenkirchen über keine ansprechenden Viertel verfügen würde. Gelsenkirchen-Buer zum Beispiel ist einzigartig in der Region. Restaurants, Cafés und individuelle Geschäfte schaffen vor allem in der Hochstraße eine reizvolle Atmosphäre. Der perfekte Ort für europäische Gäste aus Italien, Spanien oder Serbien, um sich auf den Spielort Gelsenkirchen einzustimmen. Passend dazu wäre ein Besuch im Buer 1, einem Frühstückslokal der edleren Art: „Wir wollen dir zeigen, dass die wichtigste Mahlzeit des Tages mehr ist als nur Müsli und Toast“ behaupten die Betreibenden dieses schmucken Etablissements. Das muss getestet werden! 

12 Uhr. Zu den Träumen eines Fußballfans gehört es stets, ein Stadion kennen zu lernen, ohne die Angstlust des Spielbesuchs damit zu verbinden. Eine prima Möglichkeit für alle europäischen Fans wäre es also, sich die Arena auf Schalke schon einmal im Rahmen einer Führung anzusehen und dabei das Schalker Fußballmuseum zu besuchen. Es ist Bestandteil der Arena und beweist auf 600 Quadratmetern, dass Schalke 04 vor noch nicht allzu langer Zeit zu den europäischen Spitzenmannschaften gehörte. Momentan spielt der Club in der zweiten Liga, doch wer das Stadion und das Fußballmuseum mit all seinen Trophäen sieht, der versteht sofort: Der Verein gehört in die erste Liga. 

Die Veltins-Arena in Gelsenkirchen © stock.adobe.com - Marcel Paschertz

15 Uhr. Gelsenkirchen galt lange Jahre als die Stadt der vielen Feuer – überall in der Ruhrgebiets-Metropole wurde von den zahlreichen Kokereien das überschüssige Koksofengas abgefackelt. Der Strukturwandel beendete auch in Gelsenkirchen den Kohleabbau und die Hochzeiten der Schwerindustrie. An vielen Standorten lässt sich aber auch heute noch nachvollziehen, warum Gelsenkirchen einst zu den Kraftfeldern des Ruhrpotts gezählt wurde. Ein Ausflug zur Halde Rheinelbe wäre für Gäste, die sich mit der Vergangenheit Gelsenkirchens auseinandersetzen wollen, auf jeden Fall eine gute Idee. Hier hat sich auf dem alten Zechengelände Rheinelbe eine beispielhafte Waldlandschaft entwickelt mit einem buchstäblichen Höhepunkt: Der Spiralberg der Halde ist 85 Meter hoch. Von hier aus hat man den besten Blick über die ganze Stadt.

18 Uhr. Jetzt aber wieder Fußball! In der Gelsenkirchener Fan Zone im Nordsternpark werden alle Spiele der Fußball-Europameisterschaft gezeigt. Auf dem Gelände der ehemaligen Zeche ist Platz für knapp 6000 BesucherInnen. Der Clou: Neben den fußballerischen Leckerbissen werden im Nordsternpark über 200 Stunden Kultur-Programm geboten. Es steht schon fest, dass Alle Farben, KAMRAD und der ESC-Starter Isaak im Nordsternpark auftreten werden, weitere Überraschungs-Gigs sind geplant. Kleiner Tipp: Wenn die englischen Fans in der Stadt sind, die ja bekanntlich immer in recht großer Zahl anreisen, wird auch die Gelsenkirchener Trabrennbahn zur besonderen Fan Zone umgewidmet. 

20 Uhr. Falls es in Gelsenkirchen so etwas wie ein aufstrebendes Ausflugsziel gibt, dann dürfte das der Stölting-Hafen in Gelsenkirchen-Bismarck sein. Von dort aus könnte man tagsüber eine Schifffahrt auf dem malerischen Rhein-Herne-Kanal machen und am Abend einkehren in eines der zahlreichen Restaurants, die sich in der Nähe des Hafens angesiedelt haben. Einen Beachclub mit Sandstrand namens ONE mit idyllischem Blick auf den Rhein-Herne-Kanal gibt’s dort auch – schöner war Gelsenkirchen noch selten.  Neben dem ONE sind vor allem die Restaurants PuriNo mit seiner herrlichen Außenterrasse am Wasser und die Fleischmanufaktur Das Ruhrkind beliebt. 

2. Tag

10 Uhr. Citynah, geräumig genug, um auch große Gruppen zu verkraften und gastronomisch solide aufgestellt? Wer in Gelsenkirchens Zentrum nach einem Startpunkt für den Tag sucht, in dem er prima frühstücken und sich auf das Spiel seiner Mannschaft einstellen will, der landet zwangsläufig im Café Extrablatt. (Bonus: Speisekarte gibt’s auch in englisch.) Das Café in der Innenstadt erstreckt sich über gleich zwei Etagen, dazu kommt ein Biergarten mit 160 Plätzen, der bei angenehmen Temperaturen und Sonnenschein öffnet. Aber gutes Wetter ist ja während der Fußball-EM ohnehin gesetzt, Stichwort Sommermärchen …

13 Uhr. Lust auf einen kleinen Ausflug ins Gelsenkirchener Umland und dabei auf keinen Fall auf dem Trockenen sitzen? In diesem Fall wäre eine Tour zum Biergarten Gut Steinhausen nicht verkehrt. Dabei handelt es sich zwar ursprünglich um ein Reitergut in Wanne-Eickel, in dem auch heute noch der Pferdesport im Vordergrund steht. Doch der idyllische Biergarten mit seinen 200 Plätzen ist nicht ausschließlich ReiterInnen vorbehalten. Rustikal wirbt der Biergarten mit „Nackensteaks, Bratworscht und Bier“, womit seine Zielgruppe schon recht klar umrissen ist. Fußballfans aus ganz Europa gehören auf jeden Fall dazu. Wer sich fit fühlt: Direkt neben dem Hof beginnt das Resser Wäldchen, ein beliebtes Gebiet für Wandernde und RadfahrerInnen.

15 Uhr. Der Rhein-Herne-Kanal ist im Ruhrpott zwischen Duisburg und Dortmund durchaus ein attraktiver Anziehungspunkt. RadlerInnen und SpaziergängerInnen halten sich an seinen Ufern fit, SonnenanbeterInnen und Grillende geben sich dort friedlich nebeneinander die Ehre. Das Schwimmen im Kanal ist zwar offiziell verboten, jedoch sehr beliebt und wird an einigen Stellen tatsächlich geduldet. Wer also nach hektischen Tagen in Gelsenkirchen-Stadt etwas Landluft spüren möchte, ist am Ufer des Rhein-Herne-Kanals an der richtigen Adresse. Bonus: Ein prima Fotomotiv ist die so genannte Grimberger Sichel am Rhein-Herne-Kanal. Die Brücke für FußgängerInnen und RadfahrerInnen verbindet die Erholungsgebiete nördlich und südlich des KulturKanals direkt und ohne lange Umwege. Sie bildet den Abschluss des Erlebnisradweges Erzbahntrasse.

18 Uhr. Zurück im Brummkreisel der Europameisterschaft führt der erste Weg wieder in den vorbildlich restaurierten Landschaftspark Nordstern, einst eine der vielen Zechen in der Stadt. Im Nordstern werden alle 51 Spiele der EM gezeigt, siehe oben, aber für die großen Events setzt man in Gelsenkirchen noch eins drauf. Alle Spiele, die in Gelsenkirchen stattfinden und alle Spiele der deutschen Nationalmannschaft werden auch im Amphitheater des Nordsternparks gezeigt. Zudem ist in der ganzen Stadt ein vielfältiges Kulturprogramm zur EM vorgesehen: Renommierte Autoren wie Ronald Reng und Christoph Biermann lesen aus ihren Fußballbüchern, Fußballfilme werden aufgeführt und im Großen Haus des Musiktheaters gibt es im Mai eine szenische Lesung zur "Nacht von Sevilla” mit Peter Lohmeyer.

20 Uhr. Im Süden der Stadt hat sich rund um die Bochumer Straße in Gelsenkirchen-Ückendorf eine richtige Feiermeile etabliert. Viele Bars und Restaurants läuten den Abend ein, in stabilen Clubs wird er bis in die Puppen veredelt. Ein wichtiger Ort für die Kleinkunst-Szene ist auch die Heilig-Kreuz-Kirche geworden. Darin wird seit einigen Jahren keine Messe mehr gelesen, denn die Kirche ist „außer Dienst gestellt“, wie es so schön in Amtsdeutsch heißt. Stattdessen finden dort vielfältige kulturelle Veranstaltungen statt. Von der Tattoo-Convention bis zum Klavier Festival Ruhr ist im Kirchenschiff alles denkbar. Beliebt vor allem das Rudelsingen, das in diesem Jahr in die 21. Runde geht. Ein gutes Stichwort für die vielen europäischen Fangruppen, die während der EM in Gelsenkirchen aufschlagen: Im Rudelsingen macht ihnen normalerweise keiner was vor …

Copyright Titelbild: Zeche Consol im Consol-Park in Gelsenkirchen © stock.adobe.com - luna1904

Geschrieben von Harald Braun

Der Reise- und Kulturjournalist Harald Braun, gebürtiger Rheinländer, lebt in Schleswig-Holstein auf dem Land, flüchtet im Winter regelmäßig nach Australien, mag den FC St. Pauli, Südtirol und immer häufiger auch ausgewählte Ecken in Deutschland, die er neuerdings entdeckt – wie den Hafenkran „Greif“ vor der Elbphilharmonie, in dem man vorzüglich übernachten kann.

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