Wer mal wieder richtig wandern möchte, denkt vielleicht nicht zuerst an das norddeutsche Flachland. Zu Unrecht, denn die 24 Nordpfade, die durch die Region zwischen Hamburg, Bremen und Hannover führen, sind Grund genug, die nächste Wanderreise im Norden zu verbringen. Der Nordpfad Dör’t Moor ist sogar als "Deutschlands schönster Wanderweg 2021" nominiert – also nicht’s wie hin! 

Zwischen 6 und 32 Kilometer sind die Pfade lang, die durch die norddeutsche Weite im Landkreis Rotenburg (Wümme) führen. Fünf von ihnen hat der Deutsche Wanderverband ausgezeichnet; sie dürfen sich mit dem schönen Titel "Qualitätsweg traumtour" schmücken. Ihre Auszeichnung verdanken die Nordpfade unter anderem der landschaftlichen und kulturellen Vielfalt, die Wanderern auf der Tour geboten wird: Mal führen die Wege durch die sanft-wellige Geest, mal auf Holzstegen durch eine mystisch anmutende Moorlandschaft, zwischendrin begegnen Wanderern immer wieder unberührte Bachläufe. An anderen Stellen gelangen sie über Feld- und Wiesenwege in typisch norddeutsche Bauerndörfer und kleine Städtchen. Verlaufen muss sich auf den Wegen, die mit dem Auto oder öffentlichen Verkehrsmittel einfach zu erreichen sind, keiner, denn die 24 Nordpfade sind lückenlos "unverlaufbar" ausgeschildert.

Aufgrund der fehlenden Berge wird es auf keiner der Wanderungen so richtig anstrengend. Trotzdem kann man sich auspowern, zum Beispiel auf einer Tages- oder Mehrtageswanderung. Wer weniger Zeit mitbringt, oder mit Kindern unterwegs ist, entscheidet sich für eine der vielen Halbtagestouren.

Drei besonders schöne Nordpfade stellen wir hier vor:  

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Nordpfad Dör’t Moor

Die Strecke: 

Start und Ziel des Rundwegs Dör’t Moor, besser bekannt als Große Moorrunde, ist der Große Bullensee. In diesem Moorsee kann man übrigens auch prima baden. Auf naturnahen Wegen und Holzstegen streifen Wanderer durch die Moorerlebniszone Großes und Weißes Moor. Das Besondere: Die Moorlandschaft zählt zu den am besten erhaltenen Hochmooren in Niedersachsen. Inmitten der Moor- und Heidelandschaft tauchen immer wieder mit Infotafeln bestückte Themenpavillons auf, unter deren Dächern Wanderer gerne ihre Vesperbrote auspacken. Weitere Stationen auf der Route sind der Aussichtsturm (super Ausblick auf Moor und Wiesen!) und die Grabhügel aus der Jungsteinzeit, die inmitten der Heidelandschaft auftauchen. Auf den letzten Metern des als leicht eingestuften, aber immerhin 10 Kilometer langen Pfades taucht dann der Kleine Bullensee auf, der weitaus unberührter als der Große Bullensee in einem kleinen Waldstück liegt. Den Nordpfad Dör't Moor gibt’s übrigens auch als Kurzversion: Für die Kleine Moorrunde biegen sie nach rund 3 Kilometern bei einem Themenpavillon auf den ausgewiesenen Bodderpad (Butterpfad) ab, auf dem früher die Moorbauern ihre selbsthergestellte Butter bis nach Rotenburg (Wümme) transportierten, um sie dort zu verkaufen.

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Was ihn besonders macht: 

Der Nordpfad durch das Moor ist einer der schönsten unter den 24 Nordpfaden. Mit vierzehn weiteren Wanderwegen aus ganz Deutschland konkurriert er bis zum 30. Juni 2021 um den Titel "Deutschlands schönster Wanderweg 2021", der jährlich vom Wandermagazin in Kooperation mit dem Deutschen Wanderverband vergeben wird. Dör’t Moor besticht vor allem durch seine Vielfalt: Die unberührte Moorlandschaft wechselt sich ab mit urigen Waldabschnitten; und wenn in den Sommermonaten die Heidelandschaft ihr lilafarbenes Gewand anzieht, blühen an anderer Stelle die Wiesen und Felder. 

Sperber, Mäusebussarde, Kraniche und andere Vogelarten fühlen sich in der teils unberührten Natur genauso wohl wie Einsamkeit suchende Wanderer. 

Tipps auf der Strecke: 

Vom Bullensee startend taucht nach etwa der Hälfte des Weges ein 250 Jahre alter Schafstall mit Remisen und Außengelände auf. In dem „Spieker“ erzählen alte Bauern- und Handwerksgeräte von der damaligen Landwirtschaft und dem Torfabbau. Vor dem Schafstall liegt auch der Tischlein-deck-Dich - Rastplatz, der von umliegenden Gaststätten zur abgesprochenen Zeit beliefert wird. Also vorbestellen und mitten im Grünen tafeln, sich bewirten und verwöhnen lassen!

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Nordpfad Vörder See und Osteland

Die Strecke: Der Rundweg startet im Zentrum des Elbe-Weser-Dreiecks, genauer: im Natur- und Erlebnispark Bremervörde. Start- und Endpunkt des insgesamt 20 Kilometer langen Nordpfads ist das RiesenEi, gleichsam eine der Hauptattraktionen des Parks. Fast doppelt so groß wie ein Erwachsener ist das Kunstprojekt, das gefüllt ist mit 550 Briefen von Kindern und Erwachsenen, die vor vielen Jahren in Form von Wünschen eine Botschaft an die Zukunft schickten. Seit 1991 warten die Briefe im RiesenEi auf ihre Empfänger; geöffnet werden soll das RiesenEi erst nach 1000 Jahren.

Diesen Nordpfad kann man je nach Lust und Kondition in verschiedene Abschnitte aufteilen. Nachdem Wanderer zunächst den Vörder See erkundet und passiert haben, geht es auf der 14 Kilometer langen Nordtour zum Fresenburgsmoor. Begleitet vom Moorkanal durchqueren sie dann einsame, weite Wiesenlandschaften und kleine Waldabschnitte, bis der Weg nach Nieder Ochtenhausen mit historischem Kornspeicher führt. Durch Marschland und an der Oste entlang geht es zurück zum Bremervörder Hafen. Vom See gelangt man dann über den Hafen zur etwa 5 Kilometer langen Südtour des Nordpfades, die entlang der Oste und durch den Landesforst Vorwerk führt.

Wer Zeit mitgebracht hat, besucht das auf diesem Abschnitt liegende Bachmann Museum, das mit etwa 80 0000 Zeugnissen unter anderem aus der Geologie, Archäologie und Geschichte die umfangreichste Sammlung zur Regionalgeschichte des Elbe-Weser-Dreiecks bietet.

Wer mit Kindern unterwegs ist oder schlicht keine Lust auf eine längere Wanderung hat, nimmt nur die "Vörder See Tour", die auf vier Kilometern durch den Natur- und Erlebnispark rund um den Vörder See mit verschiedenen Spiellandschaften führt.

Was ihn besonders macht:

Der Natur- und Erlebnispark Bremervörde am Vörder See macht den Nordpfad zu einem perfekten Ausflugsziel für die ganze Familie. Schon die kleine Tour reicht, um an der frischen Luft einfach mal abzuschalten und schöne Dinge zu entdecken: Da sind zum Beispiel die Themengärten, in denen Rosensträucher und Rhododendronbüsche kräftig blühen, oder die SkulpturenWiese, die Künstler aus nah und fern mit ihren Kunstobjekten aufhübschen. Naturliebhaber statten der NABU-Umweltpyramide und der Welt der Sinne einen Besuch ab, oder suchen sich ein ruhiges Plätzchen am Ufer des Vörder Sees. Der eignet sich übrigens auch zum Tretbootfahren, Segeln oder Kneippen.

Naturliebhaber entscheiden sich am besten für die ganze Strecke. Ob das mit Schilf bewachsene Ufer der Oste, die Erlenwälder, oder die Weite der Wiesen – der 20 Kilometer lange Nordpfad ist vor allem eines: grün!

Tipps auf der Strecke: 

Wer mit Kindern unterwegs ist, wird sich über die prämierten Spiel- und Wasserlandschaften im Park freuen. Auch die vielen Erlebnisecken im Park "Welt der Sinne", wie das SteinLabyrinth oder der Barfußpfad, sind ideal für Familien. 

Kaffee und Kuchen oder herzhafte Speisen werden Gästen im Café und Restaurant vor dem Haus des Sees gereicht, eine restaurierte niedersächsische Hofanlage aus dem Jahr 1860. Bei der Gelegenheit können Gäste auch gleich beim nahegelegenen Apotheker- und Bauerngarten vorbeischauen und mehr über die Heilkräfte von Pflanzen erfahren. In Nieder Ochtenhausen wartet ein historischer Kornspeicher aus dem 18. Jahrhundert; auf der zugehörigen Remise können alte landwirtschaftliche Geräte erkundet werden.

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Nordpfad Zevener Geest

Die Strecke: 

Los geht die fast 8-stündige Tour auf diesem 23 Kilometer langen Rundwanderweg am Parkplatz Busbahnhof am Zevener Markt. Noch in Zeven ist der erste Zwischenstopp das Kloster Zeven, ein ehemaliges Benediktiner-Nonnenkloster, das bereits im frühen Mittelalter erbaut wurde. Wer sich in die alten Gemäuer begibt, kann sich auch gleich die heimatkundliche Sammlung des Klostermuseums ansehen. Danach dürfen Wanderer ein kühles Fußbad in der Mehde nehmen, deren Bachlauf ihnen auf der Strecke immer wieder und solange begegnen wird, bis sie in Brauel schließlich in die Oste fließt. Weiter führt der Pfad durch die sanft-wellige Geestlandschaft ins Badetal. Am kleinen Mühlenteich befindet sich eine 400 Jahre alte Wassermühle. Der Ort ist so lauschig, dass er sich als Rastplatz aufdrängt. Von Bademühlen geht es über die bei Rodeo- und Pferdefans beliebte Oak Ranch in den Wald Großes Holz, wo unter anderem ein Waldlehrpfad und ein groß angelegter Abenteuerspielplatz, der vor allem bei den Kindern zu Glücksrufen führt, zum Entdecken einladen. Auf Feldwegen geht es dann zurück nach Zeven.

Was ihn besonders macht: 

Auf dem Nordpfad Zevener Geest kann Wanderlust mit naturwissenschaftlichem Interesse verknüpft werden: In den Jahren 1824/25 war der berühmte Mathematiker Carl-Friedrich Gauß sechs Wochen lang in der Zevener Posthalterei untergebracht, um sogenannte geodätische Messungen an der St. Viti-Kirche durchzuführen. In dem Obergeschoss der ehemaligen Poststation im Fachwerk-Stil, das heute das Haus des Handwerks beheimatet, befindet sich das Gauß-Zimmer. Darin gewähren technische Geräte und Infotafeln Einblicke in Gauß´ wissenschaftliche Arbeit. Außerdem liegt ein 10-DM-Schein aus. Warum? Wer vor 1990 geboren ist, wird sich an das Gesicht des Wissenschaftlers erinnern, das auf dem Schein abgebildet war. 

Tipps auf der Strecke:

In Zeven selbst lohnt sich ein Stadtspaziergang, denn überall in der Stadt erinnern Kunstwerke an den früheren Aufenthalt des Mathematikers. Schön ist auch der Gauß-Brunnen, dessen Form dem eines Vize-Heliotropen ähnelt. Bevor jetzt irgendwer das alte Mathebuch rauskramt: Das ist ein von Gauß entwickeltes Messgerät, das weit entfernte Vermessungspunkte sichtbar macht. Wer sich den 10-DM-Schein genauer angesehen hat, weiß auch, dass das bekannte Messgerät auf seiner Rückseite abgebildet ist. Nach der Rundwanderung mit oder ohne Stadtführung begibt man sich am besten in eines der vielen Straßencafés und bestellt ein Stück der berühmten Zevener Himmelstorte, die nach Haselnuss und Zimt schmeckt. 

Titelbild: Ein Vogelschwarm über dem Tister Bauernmoor am Nordpfad Sittensen © Björn Wengler

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