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Der Fokus beim Pilgern liegt nicht auf Sehenswürdigkeiten am Wegesrand oder dem zügigen Erreichen des Ziels, sondern in einer gewissen Einkehr, der Besinnung aufs Ich. Pilgern ist Slow Travel pur.

Das bewusste, gleichmäßige Gehen in der schönen Natur kann ungemein wohltuend sein. Die Gedanken werden langsamer, frische Luft strömt durch den Körper. Nach und nach bleibt die Hektik des Tages zurück, der Kopf kommt zur Ruhe, Entschleunigung tritt ein. Was umherziehende Mönche seit Urzeiten erleben, spüren wir heute auf den weiten Wegen im Reiseland Niedersachsen beim achtsamen Unterwegssein, dem Pilgern. 

Eben jene Art von Wandern liebt auch Wanderbuchautor und Reisejournalist Thorsten Hoyer: "Wandern auch als sportliche Herausforderung – für mich immer wieder gerne. Aber nicht nur! Wandern ist für mich viel mehr noch das bewusste Loslassen des Alltäglichem, das sich Aufmachen in „meine“ Natur. Bereits die Vorbereitungen der Wanderung lösen fast schon kindliche Ungeduld aus. Je näher der Tag meines Aufbruches kommt, desto größer wird die Spannung in mir. Ob kleine Flucht oder große Auszeit, auf Niedersachsens uralten Pilgerwegen Via Baltica, Via Scandinavica oder Via Romea finde ich „meine“ Zeit. Darüber hinaus fühle ich mich dem wunderschönen Heidschnuckenweg auf besondere Weise eng verbunden."

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Pilgern ist eine ganz besondere, geradezu spirituelle Form des Wanderns. Es kann einen meditativen Charakter haben, kann helfen, durch gleichmäßige Bewegung und Schweigen die innere Balance und Ruhe wiederzufinden, die im Alltagstrubel womöglich verloren gingen. Auf Niedersachsens Pilgerwegen ist das wunderbar zu vollziehen, zum Wohl von Körper und Seele.

Achtsames Wandern durch stille Landschaften

„Ich bin dann mal weg – Meine Reise auf dem Jakobsweg“ heißt das Buch des Entertainers Hape Kerkeling, der darin vor knapp 15 Jahren die Erlebnisse auf seiner hunderte Kilometer langen Tour durch Spanien beschrieb. Das Werk wurde zum Bestseller, begründet aber längst nicht allein den allgemeinen Boom des Pilgerns, des Wanderns durch meist stille Landschaften auf Routen, die oft zu entlegenen Wallfahrtsorten führen. Von denen hat Niedersachsen sehr viele zu bieten.

Unterwegs gibt es dabei stets geöffnete Kirchen, in denen man Einkehr halten kann – in etlichen Klöstern und Kirchengemeinden können Pilger auch übernachten, unabhängig von Alter, Herkunft und Konfession. Es gibt zudem ehrenamtliche Pilgerbegleiter, die die inspirierendsten und spirituellsten Orte kennen. Und auch wenn der Jakobsweg die wohl bekannteste Pilgerroute ist, so locken in Niedersachen doch noch viele andere, reizvolle Pfade.

Über Waldpromenaden und durch die Heide

Der Sigwardsweg etwa, der die ehemalige Bischofsstadt Minden und die Sigwardskirche in Idensen in der Nähe des Steinhuder Meeres verbindet. Kapellen, Kirchen und Klöster des alten Bistums Minden bilden die insgesamt 24 Pilgerstationen auf dem 170 Kilometer langen Rundweg und verlocken zum Innehalten. Besonders schön ist der Weg hinter Bad Rehburg mit seinen Waldpromenaden sowie den vielen Aussichts- und Picknickplätzen. Startort der Pilgertour ist Minden, wohin man bequem mit der Eisenbahn gelangt.

So gelangt ihr mit der Bahn nach Minden: Anreise planen.

Gut per Bahn erreichbare Einstiegsorte in den Jacobusweg gibt es viele, von Hamburg über Schneverdingen, Soltau, Walsrode, Celle und Eschede. Je nach Routenwahl ist die Pilgerstrecke zwischen 200 und 280 Kilometer lang, der Weg führt durch die Naturparke Lüneburger Heide und Südheide sowie durch das Aller-Leine-Tal. Dann wandert man still und achtsam durch mystische Wälder und Moore und über die größten zusammenhängenden Naturheideflächen Mitteleuropas, die von Schäfern mit ihren Heidschnuckenherden gepflegt werden – geeignete Orte, um zur Ruhe zu kommen. 

So kommt ihr mit der Bahn nach Hamburg: Anreise planen.

Rast in schönen Kirchen und Klöstern

Schola Dei, Kirche Gottes heißt ein Pilgerweg, der beim gleichnamigen Zisterzienserkloster in einem Wäldchen beim Ort Ihlow nordöstlich von Emden (von dort fährt ein Bus) beginnt. Nach rund 40 Kilometer Strecke wird das Ziel im Städtchen Norden kurz vor dem offenen Meer erreicht. An 16 Stationen kann der Pilger unterwegs Rast machen und in Kirchen und Klöstern die Stille genießen, etwa in der großen dreischiffigen St. Marienkirche in Marienhafe oder in Nordens Ludgerikirche – im größten mittelalterlichen Sakralbau Ostfrieslands befindet sich unter anderem eine weltberühmte Schnitger-Orgel.

So kommt ihr mit der Bahn nach Emden: Anreise planen.

Die Weidenkirche in Börger und die alte Dorfstelle Wahn mit ihrem schönen Friedhof sind einige der Kraftorte auf dem Hümmlinger Pilgerweg. Der verläuft durch die gleichnamige Region mit ihren sanften Hügel und weiten Wäldern als Rundtour südöstlich von Papenburg. Unterwegs findet der Pilger zahlreiche große Findlinge mit Sinnspruchtafeln, deren Lektüre zum Innehalten anregen soll. Die nächsten Bahnhöfe liegen in Lathen und Meppen.

So kommt ihr mit der Bahn nach Lathen: Anreise planen.

Vielerlei An- und Abreisestationen gibt es am Pilgerweg Loccum-Volkenrode, schließlich ist der rund 300 Kilometer lang. Er verbindet die beiden ehemaligen Zisterzienserklöster in den namengebenden Orten. Durch abwechslungsreiche Naturlandschaften geht es über das Wesergebirge, den Vogler, den Solling und durch das Eichsfeld, unterwegs finden sich zahlreiche Klöster und Spuren, die der Reform-Orden der Zisterzienser einst hinterlassen hat. Übrigens: Wer zur Abwechslung mal wieder weltliche Dinge genießen will, kann vom Kloster Loccum einen Abstecher nach Münchehagen machen – der dortige Dinosaurierpark wird nicht nur kleine Wanderer begeistern.

So kommt ihr mit Bahn und Bus nach Loccum: Anreise planen.

Titelbild: Die Wanderschuhe fest geschnürt, geht es auf ruhigen Wegen durch Niedersachsen © TMN - Alexander Kaßner