Wer jemals im Thüringer Wald gewesen ist, der kennt ihn sicher: Der Rennsteig ist der älteste Fernwanderweg Deutschlands und ganz sicher einer der schönsten.

Unterwegs mit einem Weltmeister

Könnte sich Thüringen einen besseren Botschafter vorstellen als Erik Lesser? Der sympathische Biathlet aus Oberhof in Thüringen war Weltmeister und Medaillen-Gewinner bei den Olympischen Spielen in Sotschi und Pyoengchang, ein Spitzensportler also und ein Spitzentyp zudem. Der Mann liebt seine Heimat und vor allem: er kennt sich dort aus. Für ihn als begeisterten Mountainbiker ist der Rennsteig im Sommer ein persönlicher Lieblingsort. In der Natur Thüringens geht ihm das Herz auf – und sie fordert seinen Körper. Kein Wunder: Mit den so genannten Rennsteigleitern hat man zwischen Hörschel und Blankenstein ein wunderbares Wegenetz geschaffen.

Dabei handelt es sich um 44 Touren, die zum Teil in historischen Residenzstädten beginnen, durch traditionsreiche Orte und idyllische Bergdörfchen führen, besondere Eindrücke entlang der Strecke garantieren und besonders fleißige Wanderer und Radler schließlich auf den Kamm des Thüringer Waldes führen. Zum Warmmachen und weil er Tempo liebt, beginnt Erik Lesser seine Rennsteig-Touren gerne auf der Sommerrodelbahn Speedy in Waffenrod, auch das ein Erlebnis für die ganze Familie. Der eigentliche Startpunkt seiner Mountaibike-Tour ist aber das Ferienland Auenland, ein malerisches Ensemble aus Niedrigenergiehäusern, die im Hobbit-Style scheinbar in grünen Wiesen und Auen zu verschwinden scheinen. Dann geht’s aber auch schon aufs Mountainbike. Die Vorfreude ist Erik Lesser anzumerken: „Heute geht’s erst mal hinauf zur Werraquell Hütte, später bis zur Rennsteigwarte. 44 Rennsteigleitern führen hinauf auf den Kamm. Und es gibt einen Mountainbike-Rennsteigweg: 450 Kilometer lang.“ Wow. Aber das muss ja alles nicht in einem Rutsch passieren. Erik Lesser macht nach der ersten Etappe seiner Fahrt an der frisch sanierten Werraquell Hütte gern Pause.

Danach geht es weiter, immer weiter bis er den Aussichtsturm der Rennsteigwarte Masserberg erreicht hat. Noch lockere 150 Stufen hinauf auf die Aussichtsplattform, schon bietet sich ihm ein Panoramablick über den Thüringer Wald, wie er ein zweites Mal nicht zu haben ist. Eine Menge Lieblingsorte auf einmal also für Erik Lesser – und ein Sehnsuchtsort für Menschen, die bislang noch nie hier waren.

Schillers Baumstumpf

Natürlich gibt’s auch eine Menge weniger rasante, aber nicht minder interessante Optionen, den Rennsteig zu erreichen – es muss ja nicht unbedingt eine Mountainbike-Fahrt sein, bei dem einem der Fahrtwind ins Gesicht weht. Manchmal reicht es auch, wenn stattdessen einfach nur der Hauch der Geschichte weht… Wie zum Beispiel auf der gut sieben Kilometer langen Wandertour von Bad Liebenstein bis zur Schillerbuche am Rennsteig. Moment mal: Schillerbuche? Nun, das ist ein umfangreiches Trumm von einem Baumstumpf, der anlässlich des 100. Todestag von Friedrich Schiller 1905 seinen berühmten Namen erhielt. Sehr auffällig. Erst einmal aber empfehlen wir einen entspannten Blick auf Bad Liebenstein, den ältesten Kurort Thüringens, dessen kohlesäurehaltigen Quellen der Adel schon im 17. Jahrhundert zu schätzen wusste. Wer sich schon mal für die unvergessliche Wandertour wappnen und seinen Kreislauf in Schwung bringen möchte: In der Wandelhalle des Kurortes könnt ihr euch ein Schlückchen vom gesunden Quellwasser genehmigen, bevor es dann von der Altensteiner Höhle weiter zum Park Altenstein geht. Der Weg endet nach einem kurzen Abstecher ins malerische Bergdorf Steinbach mit seiner Barockkirche und dem Lutherdenkmal, wo der streitlustige Reformator Luther 1521 „gefangen genommen“ und auf die Wartburg gebracht wurde, schließlich an der bereits erwähnten Schillerbuche. Sieben Kilometer reines Vergnügen, Naturerlebnis und Geschichtsstunde in einem.

Der darf nie fehlen: auf Goethes Spuren

Wenn von Schiller gesprochen wird, ist Goethe nie weit: Die Rennsteigleiter von der beschaulichen Universitätsstadt Ilmenau bis nach Schmücke ist rund 13,5 Kilometer lang, beschäftigt sich auf vielfältige Weise mit dem berühmten Universalgelehrten und wird der Einfachheit halber dann auch gleich mit einem kleinen „g“ gekennzeichnet: Wir befinden uns auf dem Goethewanderweg. Erster Halt: Das GoetheStadtMuseum direkt auf dem Ilmenauer Marktplatz. Den zweiten Goethe-Step müsst ihr im Kopf bewältigen, sozusagen im Gehen: Auf dem Weg zum Rennsteig passiert man den Schwalbenstein, wo dem Vernehmen nach Goethe den vierten Akt der Iphigenie auf Tauris schrieb. Einkehrtipp, ganz ohne Goethe, aber dafür mit Fischspezialitäten: der Waldgasthof Schöffenhaus. Wer hier nicht fündig wird, wandert einfach weiter Richtung Marienquelle, riskiert einen Blick auf das Bergmassiv des Kickelhahns und erreicht schließlich das Waldgasthaus Mönchhof, einen Fachwerk-Schatz mit Pension und sehr anständigem Restaurant. Von hier aus wäre es nur noch ein Sprung bis zur großen Wiese an der Schmücke und zu einem Teilstück des Rennsteigs, aber mal ehrlich: Habt ihr euch jetzt nicht erstmal einen schönen Tisch in der Mönchhof-Schenke verdient?

Über einen Eisenbahntunnel zum artenreichsten Alpingarten Deutschlands

Gleich zu Beginn der knapp sieben Kilometer langen „Rennsteig-Leiter Zella-Mehlis“ wird die Wanderlust auf eine ernsthafte Probe gestellt. Nur allzu verlockend liegt das Hotel Waldmühle mit seinem herrlichen Wandelgarten samt Außenwhirlpool und Kneippanlage im wildromantischen Lubenbachtal. Vorbei am Technischen Museum Gesenkschmiede, das neben den ältesten Brettfallhämmern Deutschlands viele historische Werkzeuge und Maschinen des traditionsreichen Schmiedehandwerks beherbergt, folgt die „Rennsteig-Leiter“ dem Plätschern des Lubenbachs. Am stillgelegten Oberhofer Bahnhof beginnt direkt über dem Brandleitetunnel – zu DDR-Zeiten einst der längste Eisenbahntunnel der Deutschen Reichsbahn – ein steiler Anstieg hinauf zum Bärenstein, der sich dank der herrlichen Aussicht hervorragend für eine Verschnaufpause eignet. Bis zum Rennsteigportal ist es jetzt nicht mehr weit: nach knapp 1,5 Kilometern ist am Rondell der Kammweg des Thüringer Waldes erreicht. Ein Besuch im Oberhofer Rennsteiggarten, der auf einer Fläche von sieben Hektar rund um den 868 Meter hohen Pfanntalskopf etwa 4.000 verschiedene Arten von Gebirgspflanzen aus beinahe allen Teilen der Erde beheimatet, sorgt für einen entspannten Abschluss der Wanderung.

Titelbild: Pausenort für einen Weltmeister und mit Betten für Wanderer und Biker: die Werraquell Hütte © Paul Hentschel

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