Es geht flussaufwärts! Aber nicht mit dem Schiff, sondern auf dem Rheinradweg, und zwar durch die reiche Kulturlandschaft Rheinhessens. Für diese Wochenendtour haben wir die Strecke zwischen Ingelheim und Worms ausgewählt. Denn wo einst Könige und Kaiser residierten, regierten und feierten – gibt’s besonders viele Gründe für genussvolle Stopps.

Start am Freitag

Der vielleicht wichtigste Schatz von Ingelheim dreht sich unaufhörlich in einer Vitrine im Kreis: Eine Goldmünze mit dem Porträt Karls des Großen, geprägt um das Jahr 800 im französischen Arles, gefunden vor wenigen Jahrzehnten in Ingelheim. Sie ist heute das Herzstück des “Museums bei der Kaiserpfalz”. Und dort schauen wir natürlich kurz vorbei, bevor’s los geht mit der Tour. Willkommen also in Ingelheim! Hier beginnt die erste Etappe unseres Wochenendes am Rheinradweg. Ingelheim hat nicht nur eine sehenswerte Kaiserpfalz, weil Karl der Große hier ab und zu weilte, die Stadt am Rhein ist auch bekannt für ihren Weinanbau. Aus Ingelheim kommen besonders qualitätsvolle Rotweine, von denen man ein, zwei also am Vorabend der Tour mal in einem gemütlichen Weinlokal probiert haben sollte. Und noch etwas darf man hier eigentlich nicht verpassen: einen Ausflug in die wildromantische, geschützte Auenlandschaft am Rhein beim Stadtteil Frei-Weinheim.

Der Rheinradweg

Der Rheinradweg ist einer der bedeutendsten europäischen Radfernwege. Über 1.233 Kilometern führt er von vom Quellgebiet in der Schweiz durch fünf Länder bis zur Mündung bei Rotterdam. Zwischen der Grenze zu Frankreich im Süden und der Landesgrenze zu Nordrhein-Westfalen im Norden liegen davon 335 Kilometer linksrheinisch und 85 Kilometer rechtsrheinisch in Rheinland-Pfalz. Die Strecke verläuft fast ohne Anstiege, meist in Ufernähe und fast durchgehend auf eigenen Wegen. Oft radelt man unter Weinhängen entlang.

Wo ab und zu Karl der Große wohnte

Wir wollen uns an diesem Wochenende Zeit für die Kultur nehmen, uns auf die Spuren der gekrönten Häupter von einst machen, die diesen Landstrich stark mitgeprägt haben. Deshalb radeln wir auch hinüber zur Kaiserpfalz im Stadtteil Nieder-Ingelheim: Der „Historische Rundweg“ durch die beeindruckenden Ruinen führt an 18 Stationen zu den interessantesten Orten der Burg. Startpunkt ist das Besucherzentrum, von wo aus jeden Samstag von April bis Oktober um 14 Uhr auch die geführten Touren starten. Wer erleben möchte, welche beeindruckenden Ausmaße die Pfalz in ihrer Hochphase hatte, kann sich im “Museum bei der Kaiserpfalz” davon überzeugen. Hier werden neben der berühmten Goldmünze unter anderem auch 3D-Animationen der ursprünglichen Bauten gezeigt.

Tipp für alle E-Biker: Man kann den Akku während seines Pfalz-Besuchs an der öffentlichen Ladestation unweit der Kaiserpfalz aufladen. Danach bieten sich noch kurze Abstecher zur Saalkirche und der noch älteren Remigiuskirche an – bevor es anschließend weiter bis ins 20 Kilometer entfernte Mainz geht. 

Auf dem Deich entlang

Am besten macht man sich von Ingelheim in Richtung Iker-See auf, an dem man auf den drei Kilometern von der Kaiserpfalz zum Radfernweg vorbeikommt. Am Rhein angelangt geht es rechts nach Mainz, und zwar direkt auf dem Deich entlang, an Feldern und Rheinauen vorbei. Kurz hinter Heidenfahrt liegt an der Strecke übrigens wieder eine E-Bike-Ladestation, falls der Akku Energie braucht. Einkehrmöglichkeiten bieten die Campingplätze am Rheinufer oder der Rhein-Kiosk in Budenheim. 

Die verwinkelten Gassen von Mainz

Je nachdem, wann man das Tagesziel erreicht, bietet sich noch eine kleine Kennenlern-Tour durch die sehenswerte Mainzer Altstadt an. Der richtige Stadtrundgang steht am nächsten Morgen an: Am schönsten lernt man die alte Kulturstadt kennen, wenn man durch die verwinkelten Gassen des Weintorstraßenviertels und den Kirschgarten mit seinen Fachwerkhäusern spaziert. Von hier aus erkennt man über den Dächern bereits die Spitze des Doms. Nach dem Wormser und dem Dom zu Speyer ist der 975 gegründete Dom zu Mainz der älteste monumentale Gewölbebau Deutschlands. 

Ein Gotteshaus für 4000 Menschen

Unbedingt reingehen! Wer nicht im Dom St. Martin war, hat Mainz nicht wirklich besucht. Atemberaubend weit über den Köpfen der Besucher erstreckt sich das Deckengewölbe des beeindruckenden Baus. Sein Mittelschiff misst im Innern 28 Meter Länge, weiter hinten die Westkuppel sogar 44 Meter. Fast 4.000 Menschen haben Platz in dem Gotteshaus. Hier wurden Könige und Gegenkönige gekrönt, unter anderem Friedrich II., der von 1220 bis zu seinem Tod 1250 Kaiser des römisch-deutschen Reiches war. Der Kreuzgang beherbergt das Dommuseum, das als das zweitgrößte seiner Art in Deutschland sakrale Kunst von der Spätantike bis heute präsentiert. Ein weiterer Höhepunkt ist die prächtige Schatzkammer.

Zum Wein radeln

Direkt am Rheinufer der Mainzer Altstadt beginnt die nur 21 Kilometer lange leichte Etappe nach Oppenheim. Man kann es also ruhig angehen lassen, beispielsweise gleich zu Beginn mit einem frischen Radler bei der Brauerei Eisgrub-Bräu am Mainzer Yachthafen, an der der Radfernweg direkt vorbeiführt. Nach 17 Kilometern macht der Radweg dann noch einen Schlenker durch Nierstein. Nicht ohne Grund, denn hier bieten die ansässigen Winzer ihre Weine im Ausschank an – und regionale Spezialitäten kann man dazu natürlich auch bestellen. Also einfach einkehren, zurücklehnen und genießen – bis nach Oppenheim sind es ohnehin nur noch drei Kilometer.

Bunte Fenster zur Welt

Schon aus der Ferne sieht man den roten, in den Himmel ragenden Turm der Katharinenkirche von Oppenheim. Was macht diese riesige Kirche hier? In dem nicht mal 8.000 Einwohner zählenden Ort steht nämlich tatsächlich die bedeutendste gotische Kirche nach dem Straßburger Münster und dem Kölner Dom. Einzigartig sind ihre bunten Glasfenster, die die Jahrhunderte nahezu unversehrt überstanden haben und die man einmal in aller Ruhe betrachten sollte: Das berühmteste Fenster ist die sechs Meter hohe und über vier Meter breite Oppenheimer Rose aus dem Jahr 1333. Die ältesten Fenster im Ostchor sind seit 1275 originalgetreu erhalten. 

Kellertour an heißen Tagen

Vor allem an warmen Sommertagen ist auch ein Besuch des Oppenheimer Kellerlabyrinths ein perfekter Programmpunkt. Fast 40 Kilometer lang sind seine gewundenen Gänge, die auf fünf Ebenen einst die Häuser der Altstadt miteinander verbanden. 650 Meter davon können heute noch besichtigt werden – ein fast schon mystisches Erlebnis für kleine und große Entdecker. Bevor man in die Pedale tritt, die letzten 34 Kilometer bis Worms angeht, lohnt sich für Weinliebhaber noch ein Besuch im Deutschen Weinbaumuseum Oppenheim, dass sommers am Wochenende schon um 10 Uhr öffnet (sonst Dienstag bis Freitag ab 14 Uhr). Danach führt der Rheinradweg am Flugplatz vorbei, links liegt das Rheinufer mit Badestellen, rechts schaut man auf weite Felder und die Hügel Rheinhessens. Am Eicher See gibt es eine Wochenendhaussiedlung, in der die gleichnamige Gastwirtschaft Radler gerne bewirtet. Gut gestärkt mit vegetarischer oder rustikaler Küche lassen sich die letzten 20 Kilometer nach Worms dann ganz lässig bewältigen. 

Hier spielt das Nibelungenlied

Mit Augsburg, Trier und Kempten wetteifert Worms um den Titel der ältesten Stadt Deutschlands. Welche Stadt ihn verdient, wird sich wohl nicht mehr klären lassen. Belegt ist aber, dass sich in Worms schon vor 5000 Jahren die ersten Ackerbauern und Viehzüchter niederließen und dass auch das Nibelungenlied hauptsächlich in Worms spielt. Zahlreiche Denkmäler wie zum Beispiel der Siegfriedsbrunnen, das den Helden mit dem erlegten Drachen zeigt, weisen darauf hin. Wer tief in das Heldenepos einsteigen möchte, sollte unbedingt das multimediale Nibelungen-Museum besuchen.

Nibelungenfestspiele in Worms am Wormser Dom
Nibelungenfestspiele in Worms am Wormser Dom © Bernward Bertram

Streit unter Königinnen

Eine der Schlüsselszenen der Saga, der Königinnenstreit zwischen Kriemhild und Brünhild, spielt übrigens direkt vor dem Kaiserportal des Wormser Doms. Zwar ist der Sakralbau verglichen mit dem im Mainz und Speyer der kleinste der drei Kaiserdome, aber deswegen nicht weniger beeindruckend. Schlanker als die anderen ragt er in die Höhe und überblickt vom höchsten Punkt Worms die gesamte Stadt. Seine Ursprünge reichen bis in die frühchristliche Epoche zurück und er war immer wieder Ort wichtiger historischer Ereignisse: Hier wurde Leo IX. 1048 zum Papst ernannt, Kaiser Friedrich heiratete 1235 Isabella von England im Dom, und Martin Luther musste seine Lehre 1521 beim Reichstag gegenüber Kaiser Karl V. verantworten. Der Sonntag klingt nach so viel Adelsbegegnungen anschließend am besten irgendwo in den Altstadtgassen von Worms aus. Königlich speisen kann man in dieser Genussregion ja fast überall …

Titelbild: Der Mainzer Dom hat gigantische Maße – 4000 Menschen können darin einen Gottesdienst feiern © aiko3p – stock.adobe.com

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Geschrieben von Fabian