So langsam ändert sich die Einstellung zu einer lang umstrittenen Form der Kunst: Street Art hat sich in vielen Städten von der ärgerlichen Fassadenschmiererei zu einem lebendigen Ausdrucksmittel gemausert, auf das viele Städte stolz sind. Kommt natürlich drauf an, welcher Künstler am Werk war – und wie gut er seinen Job beherrscht. Fünf Beispiele für gelungene Street Art-Kultur in NRW.

Köln-Ehrenfeld

Krefeld

Dortmund

Düsseldorf

Paderborn

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Dortmund: Klotzen statt Kleckern

Wer in Dortmund über Street Art spricht, kommt an ihnen nicht vorbei: Olaf Ginzel und Daniela Bekemeier leiten seit einigen Jahren die 44309streetgallery und haben Dortmund auf die Landkarte der internationalen Mural-Szene gesetzt. Ihr Ziel, Graffiti-Künstler aus der ganzen Welt nach Dortmund zu holen, um sie dort möglichst großflächige Gebäude gestalten zu lassen, ist aufgegangen. Mehr als zwanzig riesige, ja: gewaltige Murals sind allein im und um das Dortmunder Union-Viertel herum entstanden. Das bekannteste und größte bislang: der rosa-graue HYPE-Schriftzug am Parkplatz des U-Bahnturmes, den der Dortmunder Mark Gmehling gestaltete. Aber auch Super Bruno des Spaniers Belin in der Langenstraße – das Bildnis eines jungen Mannes zwischen Green Batman und Harlekin – ist ein beeindruckendes Zeugnis der Strahlkraft guter Street Art. Damit sich auch Ortsfremde in Dortmund im Unionviertel auf Anhieb zurecht finden, haben Olaf Ginzel und Daniela Bekemeier eine Public Space Map mit Hilfe von Google Maps zusammen gestellt: Eine Karte mit 18 unterschiedlichen Werken renommierter Künstler. Ihre Gemeinsamkeit: Sie sind groß! Das Schlusswort und eine Art Mission Statement zum Thema stammt von den Machern der 44309streetgallery, wir möchten es euch nicht vorenthalten: „Street Art ist alles zwischen Aktionismus und Popstartum, zwischen Straße und Kino, zwischen Knast und Museum.“

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Wer sich in Dortmund auskennt, dürfte dieses fröhliche Motiv am Königswall 29 schon einmal gesehen haben. Es wurde im Mai 2017 von Bob und Chaz aus England fertiggestellt, der Projektname prangt an der Wand: TLP. Heißt: The London Police. Hintergrund dieser merkwürdigen Firmierung: Unbekannt. Aber durchaus munter, die Wand © Carsten Behle
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Köln-Ehrenfeld: Folge der Route

Sechs Kilometer buntes Leben, oder, angelehnt an einen Sponti-Spruch der siebziger Jahre: An den Fassaden liegt der Strand… In Köln-Ehrenfeld hat die Kölner Sprayer-Szene eine Art sechs Kilometer lange Street-Art-Route entwickelt, die an der Liebigstraße beginnt und an der Leyendeckerstraße endet. Dort sind überdimensionale Plüsch-Donuts zu sehen, ein von lila Brauseengel in die Lüfte gezogenes Cabriolet oder das Graffiti „All cats are bastards“ von MEOW – unter anderem. Bei MEOW handelt es sich übrigens um einen Kölner Straßenkünstler, der schon seit einigen Jahren – mit unterschiedlichen Namen – in der Graffiti-Szene unterwegs ist. Er hat wie sein wohl berühmtester Kollege Banksy, der gerade erst wieder durch sein karitatives Corona-Piece weltweites Aufsehen erregte, längst eine eigene Handschrift entwickelt: Katzen-Content einmal avantgardistisch. Einige andere Höhepunkte im Ehrenfelder Street Art-Kosmos: das Kölner Künstlerkollektiv Captain Borderline hat den historischen Edelweißpiraten an der Venloer/Ecke Schönsteinstraße ein eindrucksvolles Denkmal gesprayt. Mr. Trash alias Christian Böhmer hingegen ist eher zeitgenössisch unterwegs und nahm an der Marien-/Ecke Hackländer Straße den „Handyioten“ als solchen aufs Korn. Sein Werk „Fallen Angel“ zeigt zwei Mobiltelefone-Tipper mit Papiertüten über dem Kopf. Poppig schließlich das Konterfei der Dame, die das Werk des Berliners El Bocho am Ehrenfelder Bahndamm verschönert: „I miss my Plattenbau“ heißt es und dürfte wohl ironisch gemeint sein. Aber wer weiß das schon. Dass Street Art in Köln inzwischen auch von bürgerlicher Seite ernst genommen und geschätzt wird, zeigt der Umgang von Rhein-Energie mit der Kreativität der heimischen Sprayer: die Künstlerin und selbsternannte Stadtstreicherin Fietse Nowitzki darf in Köln jetzt ganz offiziell Stromkästen von Rhein Energie verschönern.
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Krefeld: Sprays in the wood

Ist das noch Street Art oder kann das der natürliche Weg sein, neue Kunstformen in unseren Alltag zu integrieren? Als Versuch, die Themen Natur, Kultur und Wirtschaft miteinander zu verbinden, wurde die „Wood Art Gallery“ im Rahmen des Programms „Krefelder Perspektivwechsel“ 2015 gestartet. Die Kunstwerke, die vor fünf Jahren von 20 Street Art Künstlern aus der ganzen Welt in kurzer Zeit erschaffen wurden, lassen sich auch heute noch begutachten – auch wenn die Natur so langsam wieder Besitz von ihnen ergreift. Dazu muss man allerdings zum Gelände der ehemaligen Cementwarenfabrik Carstanjen in Krefeld pilgern, denn hier – inmitten von Brachen und kleinen Pfaden – haben die Street Art-Künstler die vom Unternehmen Carstanjen zurückgelassenen, ehemals so trist und schmucklosen Betonartefakte individuell umgestaltet. Von der Hausfassade auf die Betonröhre also, eine Transformation der kreativen Art. Dass auch solch eine Idee ein attraktiver Weg sein kann, Street Art ins (überwiegend positive) Bewusstsein einer breiten Bevölkerung zu manövrieren, ist hier in Krefeld eindrucksvoll bewiesen worden. Bestes Beispiel: Die gelbe „Eisenschlange“ mit dem Titel „Yellow Submarine“ der amerikanischen Autodidaktin Anat Ronen: Bunter und fröhlicher hat man einen Betonblock selten leuchten sehen.
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Düsseldorf: Pretty in Farben

So geht’s doch auch! Wo andernorts oft mühsam nach Spuren spannender Street Art gesucht werden muss, nimmt ein Düsseldorfer die Fans dieser jungen Kunst-Gattung an die Hand: Klaus Rosskothen erfand den Urban Art Walk, eine zweistündige Tour vorbei an den Exponaten diverser Street Art-Künstler in den Düsseldorfer Stadtteilen Bilk und Friedrichstadt. Er ist zudem Kurator und Begründer der Galerie Pretty Portal, die sich mit allen Facetten der Street Art beschäftigt, er weiß: „Klar, Düsseldorf ist in Sachen Urban Art noch nicht mit großen Metropolen zu vergleichen, aber es wird immer mehr.“ In Bilk und Friedrichstadt prägen vor allem Werke von Jana&JS, FinDAC, Pixelpancho oder L.E.T. das frische Straßenbild der Stadt, in Flingern ist das der Düsseldorfer Künstler Klaus Klinger mit seiner Gruppe Farbfieber. Bei ihm handelt es sich um einen Veteranen der Szene: Im Rahmen der Legalisierung eines ehemals „besetzten Lebensraums“ in der Flingerner Kiefernstraße, setzte Farbfieber ein innovatives Street Art-Konzept um: Die seit 1980 besetzten Häuser – und zwar nur die mit den ungeraden Nummern – wurden unter der Leitung Klingers mit plakativen Graffiti ausgestattet. Inzwischen ist die Kiefernstraße ein vielbesuchter Treffpunkt für Menschen, die sich für das etwas andere, buntere Düsseldorf interessieren. Oder wie eine Zeitung schrieb: „Die Kiefernstraße ist der perfekte Gegenentwurf zur noblen Königsallee.“ Nehmt das ruhig als Kompliment und schaut vorbei. Auch wenn Farbfieber-Gründer Klaus Klinger, ehemals ein Schüler von Gerhard Richter, die Kiefernstraße noch nicht am Ende aller Möglichkeiten angekommen sieht: „Wenn die Häuser der Kiefernstraße einmal komplett gestaltet sein könnten, wäre das großartig.“
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Paderborn: Infos vom Sprayer-Doc

In Paderborn scheinen die Menschen ganz zufrieden zu sein, sagt Sven Niemann, denn auf rebellische oder politische Statements stoße man auf den Häuserwänden der westfälischen Stadt nur selten. Stattdessen sind dort farbenfrohe Comic-Kühe zu sehen, ein buntes Riesenrad oder auch schon mal ein melancholisch-künstlerisches Frauengesicht. Niemann – ein Mitglied von Generation Arts, in dem sich Personen aus der Paderborner Kunst- und Kulturszene zusammen geschlossen haben – kennt sich mit dieser Form der Kunst aus. Der studierte Linguist schreibt nicht nur seine Doktorarbeit zum Thema „Graffiti“, er ist auch der offizielle Stadtführer in der Domstadt für dieses Thema. Nachdem sich bei einer Test-Session mehr als 100 interessierte Zuhörer einfanden, gehört die zweistündige Graffiti-Führung in Paderborn zum festen Bestandteil des touristischen Angebots. Sven Niemann weiß: Mehr als 20 Sprayer arbeiten in Paderborn, hauptsächlich an der Busdorfmauer und im Riemkeviertel. Und selbst CDU-Stadtrat Grabenstroer findet die Graffiti in seiner Stadt prima und verriet der Lokalzeitung: „Die Graffiti hinter der Paderhalle im Paderquellgebiet sind noch ganz jung und doch in den sozialen Netzwerken schon so etwas wie die Wahrzeichen der Stadt.“ Auf seiner Tour erklärt Sven Niemann seinen Gästen, welche Stilmittel Sprayer nutzen, was ihre Tags (Signaturen) bedeuten und wo die Sprayer überhaupt Farbe auftragen dürfen. Denn nicht jeder Ort eignet sich für diese Form der Dekoration, nicht jeder Bauherr freut sich über die bunten Bilder auf seinen Gebäuden. Obwohl Niemann findet, dass gute Graffiti das Stadtbild auf jeden Fall bereichern würden: „Es gibt noch unheimlich viele graue Wände in Paderborn!“
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Und so kommt ihr mit der Bahn zur Paderborner Busdorfmauer: Anreise planen.

Titelbild: Ein Symbol für den Strukturwandel der Stadt will das Dortmunder U sein, ein kulturelles Zentrum mit dem Schwerpunkt auf digitalen Medien und der Förderung der Kreativität auf allen vorstellbaren Feldern der Kunst – eben auch der Street Art. Symbolisch auch deshalb, weil sich das U im Gebäude (und als Buchstabe auf dem Dach) der ehemaligen Dortmunder Kult-Brauerei Union befindet. Schicker Dachgarten, by the way… © Carsten Behle

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In Zusammenarbeit mit Tourismus NRW e.V.

Gründe für einen Urlaub in Nordrhein-Westfalen gibt es jede Menge – die lebendigen Städte, die alten Schlösser und Burgen und die einzigartige Natur sind nur ein paar davon.

 

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