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Ein Wochenende am Ostseeküsten-Radweg: Dreitägige Vater-Sohn-Tour von Lübeck nach Rostock.

Malte schaut auf die Uhr. „Jetzt ist es kurz vor 13 Uhr. Meinst du, wir schaffen die 50 Kilometer bis nach Boltenhagen heute noch?“, fragt er seinen Vater. Der lacht fröhlich: “Na klar, spätestens um 16 Uhr will ich dort ganz entspannt aufs Meer schauen.“ Also nicken sich die beiden entschlossen zu, und los geht‘s. Malte und sein Vater Robert sind mit dem Zug nach Lübeck gekommen, um von dort in drei Tagen den Ostseeküsten-Radweg bis Rostock zu fahren. Die zwei sind ein gut eingespieltes Team. Läuft also. Schweigend treten sie in die Pedale.

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Der Alltag ist weit weg

Einmal im Jahr treffen sich Robert und sein erwachsener Sohn zu einer solchen gemeinsamen Auszeit. Sie sind zum Beispiel schon in der Eifel geradelt und durch die Sächsische Schweiz gewandert. Nun freuen sie sich auf Mecklenburg-Vorpommerns Küstenwälder, auf Seebäder, Wind und Meer und salzige Luft, auf den ein oder anderen Badestopp und natürlich auf Fischbrötchen direkt auf die Hand. Am späten Nachmittag – also mit ganz leichter Verspätung – stehen die Radler dann tatsächlich auf der 290 Meter langen Seebrücke, dem Wahrzeichen von Boltenhagen. Etwas geschafft, aber zufrieden genießen die Männer den Ausblick, atmen die frische Ostseeluft ein, überlegen, in welchem Restaurant sie abends essen gehen. Das ging mal wieder schnell hier: Der Alltag ist plötzlich in weite Ferne gerückt. Statt dessen ist endlich mal Zeit für gute Vater-Sohn-Gespräche …

Knapp 700 Radkilometer

Der Ostseeküsten-Radweg ist insgesamt 1.140 Kilometer lang, 695 Kilometer davon führen zwischen Lübeck und der Insel Usedom durch Mecklenburg-Vorpommern. Meistens verläuft der gut ausgeschilderte Fernradweg direkt an der Ostsee, hin und wieder gibt es aber auch reizvolle Schlenker ins grüne, malerische Hinterland. Wenn man die ganze Strecke radelt, braucht man je nach Tempo ein bis zwei Wochen – und kann dabei ganz genussvoll die maritimen Schönheiten des Bundeslandes „erfahren“.

Besonders sehenswert sind unterwegs die UNESCO-Welterbestädte Wismar und Stralsund, die verträumten Fischerdörfer auf der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst, die Kreidefelsen auf Rügen sowie die Bäderarchitektur in Zinnowitz und den Kaiserbädern. Aber auch viele „Kleinigkeiten“ machen die Reise zum unvergesslichen Erlebnis: das oft intensive Licht am Meer, die Dünen, feine Sandstrände, nette Cafés am Wegrand, Städtchen und Boddenhäfen mit Fischrestaurants laden zu Pausen ein – und machen manchmal das Weiterfahren zur schwierigen Aufgabe. Denn allzu oft verleiten die Plätze am Wasser eben einfach zum Nichtstun und Bleibenwollen. Der Ostseeküsten-Radweg verläuft übrigens überwiegend auf ruhigen Landstraßen, auf asphaltierten oder wassergebundenen Radwegen und gut zu befahrenden Wald- und Feldwegen.

Einige Impressionen schöner Stationen auf dem Ostseeküstenradweg gibt es hier in der Bildergalerie:

Bummel durch Wismar

Am nächsten Morgen geht es für Robert und Malte weiter zum nächsten Tagesziel: die UNESCO-Welterbe-Stadt Wismar. Auf dem Weg machen die beiden einen kurzen Zwischenstopp im Schloss Bothmer, der größten erhaltenen Barockanlage Mecklenburg-Vorpommerns mit ihrer berühmten Festonallee aus uralten Linden. Es ist zwar verlockend, den warmen Spätsommertag im Park zu verbringen, doch bis zur Insel Poel ist es noch ein Stück. Also weiter. Am Nachmittag erreicht das Vater-Sohn-Duo die Hansestadt Wismar.

Wie wäre es dort einmal kurz mit einem besseren Überblick? Von der St.-Georgen-Kirche haben Malte und Robert einen tollen Blick über die Altstadt und die ganze Umgebung. Viele Gebäude der Stadt sind als »norddeutsche Backsteingotik« in die Architekturgeschichte eingegangen. Aus Backsteinen schuf die wohlhabende Bürgerschaft während der Hansezeit anmutige Giebelhäuser und sakrale Meisterwerke: die Hauptkirchen von Wismar. Auf dem Weg zum Alten Hafen kommen Robert und Malte am Brauhaus am Lohberg vorbei. “Kennst du den den Roten Erik?”, fragt Malte unvermittelt. Robert schüttelt den Kopf. Also schiebt Malte seinen Vater mit einem vielsagenden Lächeln an einen der freien Tische. »Ein Bier, das sie nur hier brauen. Sagt jedenfalls Google. Hast du Durst?« Kurz darauf sitzen die zwei vor einem frisch gezapften »Roten Erik« und einer »Wismarer Mumme«. Auch wenn es schwerfällt, nach einem Bier ist Schluss. Die Männer wollen noch rechtzeitig vor der Dunkelheit auf Mecklenburgs größter Insel ankommen.

Windflüchter an der Ostsee

Geschafft! Am Abend fahren Robert und Malte über den Poeler Damm nach Timmendorf. Auf den Salzgraswiesen, die im Frühling und Herbst Tausende Seevögel als Brut- und Rastplatz nutzen, ist bereits Ruhe eingekehrt. “Schade, dass morgen unser letzter Tag ist”, sagt Malte, während er am Leuchtturm von Timmendorf in sein zweites Fischbrötchen beißt. Noch dazu gilt es dann, richtig Strecke zu machen. Knapp 100 Kilometer sind es von der Insel Poel noch bis nach Graal-Müritz. Das Besondere: Das Ostseebad liegt in einem Küstenwald, der bis an die Ostsee reicht und in dem viele Windflüchter stehen – Bäume, deren Kronen vom Sturm in Windrichtung gekämmt wurden. Berühmte Schriftsteller wie Franz Kafka und Erich Kästner haben hier in dem Heilbad mit seiner ganz besonderen Mischung aus Wald- und Meeresluft ab und zu ihren Sommer verbracht. Zufrieden sitzen Vater und Sohn abends am Strand und lassen die Eindrücke noch einmal Revue passieren. “Klar, länger wäre schön”, meint der Vater, “aber wir haben doch auch alles gehabt: das Meer, wunderschöne Abschnitte durch Salzwiesen und Wälder, Kultur, frischen Fisch, gutes Bier … was wollen wir denn noch mehr?” “Wiederkommen”, meint Malte lachend und prostet dem Vater zu. Es bleibt ja schließlich noch die Etappe von Graal-Müritz bis nach Usedom.

Titelbild: Der Ostseeküsten-Radweg führt über weite Strecken direkt am Wasser entlang © TMV/Süß

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