Lass dir den Artikel vorlesen!

Dieses Reiseziel ist eines für alle: Kaum ein anderes Bundesland ist so vielfältig wie Hessen. Und so überraschend. Von Frankfurt weiß natürlich jeder, dass es in Hessen liegt, von Wiesbaden auch – aber dass zudem Odenwald, Rheingau und Spessart zu Hessen zählen, ist für manchen sicherlich neu.

Vielfalt ist hier ganz einfach Programm. So kann man im Rheingau auf Goethes Spuren wandeln (und auf historischen Weingütern Rieslinge trinken, die nicht von dieser Welt sind), sich in Hanau von den Märchen der Brüder Grimm verzaubern lassen und in Wetzlar, Marburg und Fulda echte Stadtschönheiten entdecken. Zu Hessen gehören tiefe Wälder an der Bergstraße genauso wie Basaltgestein im Vulkangebiet Vogelsberg. Und einen Fluss, auf dem man romantischer paddeln kann als auf der Lahn – den muss man in Deutschland auch erst einmal finden.

In Hessen gibt es einzigartige Buchenwälder, die documenta-Stadt Kassel, Klöster, Schlösser und Burgen, hier leben Elfenbeinschnitzer, die aus uralten Mammutzähnen Schmuckstücke machen und Köche, die aus einer Handvoll Zutaten Weltklasse-Gerichte zaubern. Hessen besitzt prächtige Kurbäder und UNESCO-Weltkulturerbe-Stätten wie das Kloster Lorsch, die Grube Messel mit ihren einzigartigen Fossilienfunden und den Bergpark Wilhelmshöhe. Und das einzige Bundesland mit einem eigenen chemischen, künstlichen Element ist Hessen sowieso: Das heißt Hassia und wurde erstmals in den 1980er-Jahren durch die Verschmelzung von Blei- mit Eisenatomen erzeugt. In Darmstadt. Was auch in Hessen ist.

Kurz & Knackig

Hessen liegt etwa in der Mitte Deutschlands und ist mit seinen 21.115 Quadratkilometern knapp zehnmal so groß wie das Saarland. Auf rund der Hälfte der Fläche wird Landwirtschaft betrieben und die Wälder sind beinah genauso groß, damit zählt Hessen zu den beiden waldreichsten Bundesländern der Republik. Es ist eine Region der grünen Hügel, weiten Felder und endlosen Horizonte – obwohl es natürlich etliche große Städte gibt. Frankfurt ist mit über 750.000 Einwohnern bei weitem die größte und wegen des Flughafens Hessens Tor zur weiten Welt. Die Landeshauptstadt Wiesbaden (ca. 280.000 Einwohner) liegt nur wenige Kilometer entfernt, mit viel historischer Bausubstanz, prächtigen alten Villen und bezaubernden Parks und Gärten. Aber auch andere große Städte wie Kassel (neben der Kunstausstellung documenta bekannt für zahlreiche Prunkbauten), Darmstadt (genannt Wissenschaftsstadt wegen vieler Hochschulen und Forschungseinrichtungen) und Offenbach (führend in Sachen Lederwaren und Sitz der deutschen Wetterfrösche) sind mehr als nur einen kurzen Besuch wert.

Mit ihren 950 Metern ist die Wasserkuppe die höchste Stelle, sie liegt in der Rhön, einer beliebten Urlaubsdestination für Naturliebhaber. Auch etliche der anderen Mittelgebirge sind bekannte Ferienregionen. So beispielsweise der Taunus, das Rothaargebirge, der Vogelsberg und der Kellerwald, dessen alte Buchenbestände im Nationalpark Kellerwald-Edersee unter Schutz gestellt wurden. Überall dort gibt es eine vielfältige Flora und Fauna. Das offizielle Wappentier des Bundeslands ist allerdings in freier Wildbahn nicht anzutreffen – der rot-weiß gestreifte hessische Löwe ist nur auf Flaggen und Briefpapier zu sehen.

Herr Ober!

So vielfältig wie Hessens Landschaften ist auch die Küche des Bundeslands. Beispiele gefällig? Da wäre die Ahle Wurscht, eine nordhessische Spezialität mit ausgeprägtem Geschmack von Schweinefleisch, gemischt mit der Würze von schwarzem Pfeffer und einem Hauch von Knoblauch oder Kümmel. Weite Streuobstwiesen sind in der Region Bergstraße-Odenwald quasi regionales Kulturgut und bescheren sie mit einer großen Apfelvielfalt, an der sich nicht nur regionale Edelobstbrennereien erfreuen. Die Hessische Bergstraße, kleinstes Weinbaugebiet Deutschlands, ist Heimat des Roten Rieslings. Das Erzeugnis einer heute nur noch wenig verbreiteten Rebsorte hat schon gekrönten Häuptern trefflich gemundet.

Speziell in Mittelhessen werden die berühmten Speck- und Zwiebelkuchen serviert. Weiter südlich ist der Handkäs mit Musik ein absolutes Muss: Für den wird Sauermilchkäse in Scheiben geschnitten und in einem Sud aus Essig, Öl und Kümmel eingelegt (wobei das exakte Mischungsverhältnis selbstverständlich absolute Geheimsache ist). Obendrauf kommen noch gehackte rohe Zwiebeln, die bei vielen Menschen nach dem Essen dann für besagte Musik sorgen. Frankfurter (Würstchen) gibt es natürlich überall und nicht nur in der Mainmetropole. Und auch die Grüne Soße (oder Grie Soß) ist ein hessischer Klassiker, für den sieben Kräuter (Borretsch, Kerbel, Kresse, Petersilie, Pimpinelle, Sauerampfer und Schnittlauch) gehackt und anschließend mit saurer Sahne oder Schmand gemischt werden. Die hessische Spezialität wird traditionell mit Kartoffeln und gekochten Eiern serviert.

Und Ebbelwoi schmeckt zu allem. Der heimische Apfelwein, auch “G’Spritzter” (mit Mineralwasser) oder “Süßer” (mit Limonade gemischt) genannt, wird von Hessen gerne als „Stöffche“ genossen. Er kommt im „Bembel“ auf den Tisch, einem Steingut-Krug, den es in Fünfer-, Siebener- oder Zehner-Größe gibt – die Zahl zeigt an, wie viele Gläser hineinpassen. Aus dem Bembel wird der Ebbelwoi ins Gerippte ausgeschenkt, ein Halbliterglas mit einem netzartigen Muster. Aus dem wird er dann gepetzt, also: getrunken. Der Frankfurter Westhafen Tower wird übrigens auch „de Gerippte“ genannt – seine Fassade sieht aus wie ein Glas, in das viel hineinpassen würde, sehr, sehr viel.

Hessisch babbele

Den einen hessischen Dialekt gibt es nicht, Sprachwissenschaftler unterscheiden zwischen Niederhessisch (um Kassel), Osthessisch (um Fulda), Mittelhessisch (um Marburg und Gießen) und Südhessisch (um Frankfurt/Darmstadt und Wiesbaden). Weil die meisten Hessen im Großraum Frankfurt-Offenbach-Darmstadt und Umgebung zu Hause sind (und Leute wie Heinz Schenk mit seinem Blauen Bock – eigentlich ein gebürtiger Mainzer – und die Komiker von Badesalz bundesweit Fans hatten und haben), ist meistens auch deren Zungenschlag gemeint, wenn von Hessisch die Rede ist.

Ein bisschen was Grundsätzliches: „Gude“ heißt soviel wie Guten Tag, wobei „Gude, wie?“ gleich noch die Frage nach dem Wohlbefinden des Gegenübers einschließt, die aber von diesem keinesfalls beantwortet werden muss („Ei Gude, wie?“ drückt darüber hinaus auch noch die Freude und Überraschung aus, die andere Person getroffen zu haben). Viele Worte, die überall sonst auf der zweiten Silbe betont werden, betont man in Hessen auf der ersten, das gilt z.B. für Musik (beim Handkäs), der Chaussee oder dem Cousin. Stimmhafte und stimmlose “S” werden grundsätzlich nicht unterschieden, ein “weiser Berater” ist deshalb ein “weißer Berater” und umgekehrt (gilt auch für ch und sch bzw. für Kirche und Kirsche). Ein Bibs ist eine Erkältung, „das ist sein Auto“ heißt „dem sei Audo“, „Haldemo dei Sabbel!“ ist eine Aufforderung, doch bitte jetzt still zu sein. Und wenn der Hesse sagt, etwas habe eine aijereggische Form, eine eiereckige Form also, dann meint er eigentlich: das Ding ist oval.

Gude.

Titelbild: Hessischer Ebbelwoi (Apfelwein) wird traditionell im Bembel genannten Steinkrug serviert ©visitfrankfurt_Holger-Ullmann

Weitere Artikel aus Hessen