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Man kann das Vergnügen auch mit gebührendem Abstand genießen. Sozusagen aus der Beobachterperspektive. Am besten mit einem Fernglas um den Hals und dem Hund fest an der Leine. Denn was professionelle Strandsegler auf Borkum, mitten im UNESCO Weltnaturerbe Wattenmeer, vollführen, ist vergleichbar mit einem Formel-1-Rennen in der Wüste von Abu Dhabi. Da rast der Puls allein vom Zuschauen.

Borkum

Borkum

Aus der Ferne sehen die Gefährte noch aus wie harmlose Striche am Horizont. Doch Vorsicht! Mit affenartigem Tempo kommen sie angeschossen. Männer und Frauen, eingezwängt in dicke Trockenanzüge, den Kopf im Nacken, die Nase im Wind. Mit Geschwindigkeiten von weit über 100 Stundenkilometern fegen sie fast lautlos über den Strand. Muscheln zerbersten unter den Reifen, Wasserfontänen spritzen, Konzentration und Adrenalin schwängern die Luft. Nur wer den Strand und die Winde lesen kann, wer die Augen offen und das Segel fest im Griff hält, erreicht das Ziel. Alle anderen landen entweder in den Prielen oder bleiben einfach im Sand stecken. Macht aber auch nichts. Spaß ist in jedem Fall garantiert. Doch Strandsegeln will gelernt sein. Und Borkum ist der ideale Ort dafür.

Die Ostfriesische Insel (30,7 km²) gehört zu den beliebtesten und prädestiniertesten Strandsegelrevieren Europas und bietet hervorragende Voraussetzungen für Anfänger im Schnupperkurs, Fortgeschrittene und Profis. Geschwindigkeiten bis zu 130 Stundenkilometer am Strand lassen die Herzen der Windsportler und Tempobegeisterten höher schlagen. Dagegen ist jede Bundesautobahn eine Lachnummer. Dieser kilometerlange, weitläufige Strand kennt keinen Stau. Hier weht immer eine frische Brise. Und – bedingt durch Hochseeklima und gesunde Luft – genießen die Sportler in ihren windschnittigen Geschossen jeden Atemzug.

So kommt ihr mit Bahn und Schiff nach Borkum: Anreise planen.

Strandsegler sind hochgerüstete Boliden aus Kunststoff und Kohlefaser auf drei Rädern. Rennwagen mit Segeln sozusagen. Waren sie in ihren Anfängen noch fliegende Kisten der Marke Eigenbau, sind sie längst in der Welt des Trendsports mit eigenem Weltverband (Federation International de Sand et Landyachting) angekommen. Neben England, Schottland, Frankreich und Belgien wird der Sport auch an Deutschlands Küsten seit Jahrzehnten praktiziert. Dabei hat alles schon vor langer, langer Zeit begonnen.

Den ältesten Segelwagen entdeckten Forscher in der Grabkammer des ägyptischen Pharaos Amenemhet III. in der Hawara-Pyramide (1842 bis 1795 v. Chr.). Er erkannte die Vorteile eines Landseglers und ließ ihn zu Transportzwecken in der Wüste einsetzen. Wie cool!
Auch die Chinesen nutzten ab dem ersten Jahrtausend nach Christi große Segelwagen. Mit ihnen beförderten sie bis zu 30 Personen über mehrere hundert Kilometer.

Auch mit dem Kitebuggy kann man über den Strand heizen © World of Wind 2020

Und in Europa? Zu Beginn des 17. Jahrhunderts beauftragte der Statthalter von Holland, Fürst Moritz von Oranien, den flämischen Mathematiker und Ingenieur Simon Stevin damit, einen großen Segelwagen nach Vorbild der chinesischen Lastensegler zu konstruieren. Das Gefährt brachte es auf 30 Stundenkilometer und wurde als das „Wunder von Den Haag“ gefeiert. Von nun an entwickelte sich Strandsegeln zur angesagten Sportart. Bereits 1909 fand die erste Regatta am Strand von De Panne in Belgien statt. Im Jahr 2009 erreichte der Engländer Richard Jenkins auf einem Salzsee in Nevada rekordverdächtige 202 Stundenkilometer.

Schon lange gilt auch Borkum als Hot-Spot unter Strandseglern. Liebevoll bezeichnen sie ihr Revier als den „schönsten Sandhaufen der Welt!“ Ein Tempolimit gibt es nicht. Nur den Strand, das Meer und natürlich den Wind.

Wie ein Strandsegeltag auf Borkum aussehen könnte, seht ihr im Video:

Titelbild: Mit 130 km/h in den Sonnenuntergang düsen © World of Wind 2020