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Wer an Bayern denkt, der landet zwangsläufig bei Superlativen: Es ist flächentechnisch das größte deutsche Bundesland, es hat die bekanntesten Sehenswürdigkeiten, die meisten Urlauber, und der gefühlte Italien-Anteil ist auch höher als anderswo in Deutschland. Doch was macht den Freistaat im Kern aus, was lohnt einer näheren Betrachtung? Unser Autor Harald Braun kultiviert seinen ganz eigenen Blick auf die Highlights – mit diesen sieben Empfehlungen.

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Die Schlösser oder: Macht euch mit dem Kini vertraut!

Wer Bayern und seine ausladend barocke Lebensart verstehen möchte, der kommt an Ludwig II. nicht vorbei. Das heißt einerseits, dass man sich seine prunkvollen Schlösser Herrenchiemsee, Linderhof und vor allem sein „Märchenschloss“ Neuschwanstein in der Nähe von Füssen ansehen sollte. Denn dann versteht man leichter, was für ein Visionär, Ästhet und Fantast der bayerische Sonnenkönig gewesen ist, der schon mit 18 Jahren den Thron bestieg – und doch eigentlich nie mehr sein wollte, als ein träumerischer Schöngeist mit übrigens erstaunlich fortschrittlichen Ideen. Denn, und jetzt sind wir beim andererseits: König Ludwig II. war ein komplexer Denker mit einem offenen Ohr für die Wissenschaft. Er besuchte 1867 die Pariser Weltausstellung und plante eine Art Flugmaschine, mit der er über den  Starnberger See fliegen wollte. Seine nächtlichen Pferdeschlitten-Fahrten durch die Ammergauer Alpen, die später von den Regisseuren Luscino Visconti und Helmut Dietl in ihrer ganzen Mondänität auf Zelluloid  gebannt wurden, galten unter wissenschaftlicher Warte als Pioniertaten: Ludwigs Schlitten war vermutlich das erste elektrisch beleuchtete Fahrzeug der ganzen Welt. Wusstet ihr nicht, oder? Wer mehr darüber erfahren möchte: Im Marstall-Museum im Münchner Schloss Nymphenburg ist Ludwigs Prunkschlitten ausgestellt – neben vielen anderen Prachtkutschen jener Zeit. 

2

Wandern oder: Geht auf den Berg

Aber denkt daran, was der berühmte Südtiroler Bergsteiger Hans Kammerlander bei seinen Touren immer bedachte: „Verliere nie den Rest deiner Kindheit, das Lockere. Dann nämlich gehören die Berge dir, sonst gehörst du ihnen.“ Soll heißen: Es geht nicht um Rekorde und um verbissenen Gipfelsturm – sondern darum, die über 1000 Berge, Hügel und Anhöhen Bayerns mit allen Sinnen zu erleben. Was nicht heißen soll, dass man beim Aufstieg auf die drei höchsten Berge Bayerns nicht auch eine große Freude haben kann: Zugspitze, Hochwanner und Watzmann sind durchaus spannende Herausforderungen. Für mich führt eine der schönsten Wanderungen in Bayern – nein, nicht rauf auf die Zugspitze – sondern direkt zur höchstgelegenen Kirche Deutschlands auf dem Wendelstein auf knapp 2000 Meter, was mindestens drei Stunden dauert. Macht ihr an jedem sensationellen Blick ins Tal ein Selfie, auch schon mal sechs Stunden. Und wenn ihr dann auf der grandiosen Mitteralm noch eine Maß plus Jause nehmt, klappt’s halt dann gar nicht mehr mit dem Gipfel, dafür aber mit dem Gaumenglück. Rauf auf den Wendelstein, ohne eigene Energie aufzuwenden? Geht auch:  Mit der Wendelstein-Zahnradbahn dauert es bis ganz nach oben schlanke 30 Minuten. 

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Schwimm‘ in bayerischen Seen

Es gibt in Bayern so viele wundervolle Gewässer. Wie könnte man zum Beispiel den 80 Quadratkilometer großen Chiemsee nicht mögen, der nicht nur der größte See in Bayern ist, sondern mit Herrenchiemsee und der Fraueninsel auch zwei der populärsten Ausflugsziele Bayerns anzubieten hat? Oder sprechen wir vom Starnberger See, an dem sich an jedem schönen Wochenende die Münchner Ausflügler tummeln. Gern beim Fischmeister in Ambach, wo seit gefühlten Jahrzehnten Schauspieler Sepp Bierbichler grummelnd Porschefahrer wie Wanderfexe an grobe Biertische setzt. Oder wie wäre es mit dem Ammersee, der als eher hemdsärmeliger See Bayerns drittgrößtes Gewässer ist – hochsympathisch und weitgehend chichi-befreit. Nachteil der großen Drei: Sehr reger Zulauf … Doch in Oberbayern gibt’s auch andere Gewässer, die sind so wunderbar, so malerisch gelegen, so hübsch gefärbt – denen muss man doch auch mal eine Chance geben! Meine persönlichen Top drei: Walchensee – türkisfarbenes Wasser, irre tief und mit 16 Quadratkilometer groß genug, um Gedränge am Ufer zu vermeiden. Hintersee – einsam und idyllisch im Berchtesgadener Land vor einer kitschig-wunderbaren Ganghofer-Kulisse gelegen. Wörthsee – sauberster See Bayerns, klein, fein und Schauplatz der schauerlichen „Maussage“. Fragen Sie danach ... . Mehr zu Bayerns Seen gibt es hier.

4

Geht wandern im Bayerischen Wald

Wenn sonst nichts geht, dann geht der Mensch. Wusste neulich schon Autor Axel Hacke zu berichten. Er hat in dem Zusammenhang recherchiert, dass „spazieren“ vom italienischen „spaziare“ stammt, was unter anderem „umherschweifen“ heißt. Womit wir beim Bayerischen Wald wären, den ich für derlei Beschäftigungen ganzjährig empfehlen kann. Zusammen mit dem Nationalpark Šumava in Tschechien bildet er das größte zusammenhängende Waldschutzgebiet Mitteleuropas auf mehr als 24.000 Hektar. Keine Überraschung, dass auf solch gewaltiger Fläche sehr vielfältig gewandert werden kann: Gleich drei Fernwanderwege gibt es: Der Qualitätsweg Goldsteig bietet auf bayerischer Seite immerhin 660 Kilometer ausgewiesene Pfade an, auf tschechischer Seite kommen noch knapp 300 Kilometer dazu. Der Donau-Panoramaweg von Neustadt in die Dreiflüssestadt Passau ist 220 Kilometer lang und wird als 10-Tagestour empfohlen. Weniger bekannt, dafür abenteuerlicher und exotisch schön führt der so genannte Pandurensteig von Waldmünchen nach Passau: Naturschutzgebiete, Flüsse, Burgen – 170 Kilometer Umherschweifen auf höchstem Niveau. 

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Hockt euch in original bayerische Biergärten

Natürlich gibt es auch in anderen Bundesländern hin und wieder so genannte Biergärten. So wie man in Australien auch das Oktoberfest feiert, same, same, but (very) different halt … Die Wahrheit ist: So original gemütlich wie in Bayern hockt man nirgendwo anders auf der Welt in Biergärten zusammen. Ihre Geschichte führt zurück bis ins Jahr 1539, als von Amts wegen in Bayern verboten wurde, auch im Sommer Bier zu brauen – aus Brandschutzgründen. Da aber die Brauereien auch während der Sommermonate nicht auf ihr einträgliches Geschäft verzichten wollten, braute man im Voraus für die Sommermonate ein etwas stärkeres Bier ein und lagerte dieses in Kellerverliesen. Damit diese Keller auch schattig und kühl blieben, pflanzte man robuste und schattenspendende Kastanien drumherum und stellte ein paar Stühle und Bänke für Gäste auf. Schon war das idyllische Prinzip „Biergarten“ erfunden. Essen mitbringen war damals ausdrücklich erlaubt – eine Tradition, die auch heute noch fast überall gepflegt wird. 

Merke: Ein richtiger Biergarten ist keineswegs ein lauschiges Plätzchen mit fünf Tischen und einer Kellnerin, keineswegs. Die beliebtesten Freiluft-Schenken in Bayern haben das Ausmaß von Fußballfeldern. Der größte und einer der beliebtesten Biergärten in München etwa ist der Hirschgarten, und in dem finden 8000 Gäste gleichzeitig einen Sitzplatz. Kaum weniger Menschen passen im Englischen Garten in den Biergarten am Chinesischen Turm.

Die schönsten Biergärten in Bayern? Meine Top Drei: Der Spitalgarten in Regensburg, die Alte Villa in Utting am Ammersee und die Waldwirtschaft Großhesselohe in Pullach mit seinem berühmten Jazzbiergarten. Ein Traum.

6

Schaut Fußball …

In Bayern schlägt das Herz des deutschen Fußballs! Und warum? Nein, nicht (nur) wegen des FC Bayern: Mit den Großkopferten von der Säbener Straße in München-Harlaching hat das zwar auch zu tun, aber mit dem FC Augsburg spielt noch ein weiterer bayerischer Verein in der ersten Bundesliga – und mit Regensburg, Würzburg, Greuther Fürth und dem FC Nürnberg gleich nochmal vier weitere Vereine in der Zweiten. Und dass mit 1860 München der wahre Münchner Traditions- und Skandalverein nun immerhin wieder in der dritten Liga mitmischt, beseelt die vielen Traditionalisten in München, die sich nur eines gewünscht haben: Dass das altehrwürdige Grünwalder Stadion auf Giesings Höhen aus seinem Dornröschen-Schlaf geweckt wird. Nun rotten sich am Spieltag in Giesing wieder die blauen Massen vor dem Stadion zusammen und freuen sich, in die alte Heimat zurückkehren zu können. (Mein Tipp: Statt Stadionwurst besser den besten Döner der Stadt in der nahegelegenen Humboldtstraße genießen. Das „Türkitch“ ist für Genießer! 

Überhaupt, Stadion-Romantik: Das architektonische Kunstwerk „Olympiastadion“ von Günter Behnisch, in dem der FC Bayern bis 2005 spielte, bevor man in eine Art Schlauchboot nach Freimann in Münchens Norden zog, ist auf jeden Fall einen Besuch wert, auch ohne Fußball. Zumal auch der anliegende Olympiapark in München zu den beliebtesten Naherholungsorten der Stadt zählt, inklusive Tollwood-Festival und BMW-Museum in Sichtweite. 

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Fahrt einfach mal durch Oberbayern!

(Fast) hinter jeder Kurve liegt ein Highlight: Zum Beispiel die Wallfahrtskirche Maria Gern in Berchtesgaden © Adobestock/Andrew Mayovskyy

Ich weiß ja: Autowandern ist nicht unbedingt ein populärer Vorschlag, wenn man sich eine Region erschließen möchte. Im Falle von Oberbayern mache ich da allerdings eine Ausnahme, weil zwei Dinge zusammen kommen. Erstens: Die Region ist sooo groß und die Chance, so viel wie möglich von der landschaftlichen Pracht und den urigen Ortschaften kennenzulernen, ist mit so einem Auto – am besten einem ohne Dach – am größten. Zweitens kann man dann das tun, was ich jedem von euch empfehlen möchte: Vergesst feste Ziele, macht keine Pläne, sondern lasst euch einfach mal ein, zwei Tage treiben. Völlig egal, wohin es euch auf der Fahrt durch das Berchtesgadener Land, den Chiemgau oder die Region um Garmisch-Partenkirchen verschlägt: Am Ende einer lang geschwungenen Kurve auf einer vermeintlich gottverlassenen Schotterpiste wird mit hoher Wahrscheinlichkeit eine heimelige Ansiedlung auftauchen, die in der Regel über eine malerische Dorfkirche verfügt und über einen Gasthof, der „Zur Post“ heißt und in dessen Biergarten bei gutem Wetter mindestens 50 Menschen zusammen hocken. So herrliche Gasthöfe wie den „Hammerwirt“ kurz vor Inzell werdet ihr finden, der mit einem Badesee aufwartet und die Scheunen für das eigene Gefährt öffnet, weil man hier auf Oldtimer und andere Autowanderer eingestellt ist. Ihr werdet bei einer Fahrt durch die Zugspitz-Region der Ammergauer Alpen alle 30 Sekunden ein Postkartenpanorama für den Instagram-Account entdecken, euch in Altötting über die absurde Anzahl von Andenkenläden wundern, in denen Sachen wie Benedikt-Kerzen oder Papstbier angeboten werden. Oder im EFA Mobile Zeiten-Museum in Amerang mehr als 250 wunderschön restaurierte Oldtimer vorfinden, deren elegante Formen sich nie in einem Windkanal behaupten mussten. 

Und wer selbst einmal mit einem der geschmeidigen Oldtimer durch Bayern schweben möchte – möglich ist das. Schaut hier.

Titelbild: Die Zugspitze ist Deutschlands höchster Berg © Adobestock/ Sina Ettmer

Geschrieben von Harald Braun

Der Reise- und Kulturjournalist Harald Braun, gebürtiger Rheinländer, lebt in Schleswig-Holstein auf dem Land, flüchtet im Winter regelmäßig nach Australien, mag den FC St. Pauli, Südtirol und immer häufiger auch ausgewählte Ecken in Deutschland, die er neuerdings entdeckt – wie den Hafenkran „Greif“ vor der Elbphilharmonie, in dem man vorzüglich übernachten kann.

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