Dürfen wir vorstellen?

Wenn die Feldwege schon im Mai staubig sind. Wenn die Wälder voller Kiefern, Birken und Eichen stehen. Wenn immer mal wieder unerwartet ein kleiner See vor einem aufblitzt. Und wenn man in all dieser Naturschönheit und Weite und Ruhe selbst an einem sonnigen Tag im Frühsommer keiner Menschenseele begegnet. Dann ist das einerseits schon erstaunlich. Andererseits ist man dann wohl einfach in Brandenburg. Der Horizont ist unfassbar weit dort draußen in der Uckermark, in der Prignitz oder im Seenland Oder-Spree. Die Lichtstimmungen sind vor allem morgens und abends manchmal so intensiv, dass das Schauen Herzklopfen macht. Man hört Kraniche rufen und steht öfter mal (fast) Aug in Aug mit einem erstaunten Reh oder Hasen. Und das alles passiert einem keine 100 Kilometer von Berlin entfernt.

Natürlich gibt es auch hier Gegenden, wo man nicht so für sich ist: an einem schönen Wochenende rund um Buckow zum Beispiel, wo einst Brecht lebte und das Wolf Biermann so schön besingt: „(…) es war in Buckow zur Kirschblütenzeit“. Im Spreewald mit seinem idyllischen System von Kanälen, die von Ausflüglern gern mit Stocherkähnen befahren werden. Und in Potsdam, der Landeshauptstadt (nein, die Stadt ist kein Berliner Vorort, da haben die Hauptstädter echt Pech gehabt!) mit ihren weltberühmten preußischen Parks und Schlössern, die allesamt zum Weltkulturerbe der UNESCO gehören. Der wunderbare Rest aber ist jwd, wie man hier sagt – janz weit draußen. Überall blinken Seen, raschelt Schilf, rauschen Kiefern. Manche der Gewässer sind glasklar, wie etwa der Stechlinsee im Nordwesten Berlins oder der kleine Tonsee im Südosten. Es gibt viele reizvolle Flüsse wie die Havel, Elbe, die Oder, die Spree oder die Dosse und ein neues, künstliches Seengebiet in der Region des Braunkohletagebaus rund um Senftenberg, das derzeit Stück für Stück entsteht.

Brandenburg hat auch interessante Städte – neben Potsdam etwa Cottbus, Brandenburg an der Havel, Wittstock und Neuruppin. Aber vor allem ist es ein tolles Ziel zum Draußensein in der Natur: Man kann mit dem Segelboot, mit Floß oder Kanu losfahren, per Rad oder zu Fuß Naturparke und kleine Dörfer erkunden, Kultur erleben oder auch einfach mal nichts tun: Einfach mal die Füße ins Wasser baumeln lassen, aufs Moor schauen, einfach mal wieder den Vögeln zuhören. Wenn man Brandenburger fragt, was ihre Heimat ausmacht, dann sagen sie erst mal nicht viel (was auch schon wieder typisch Brandenburg ist). Ein bisschen etwas erfährt man dann aber doch: Dass sie die Ursprünglichkeit der Landschaft lieben und die Einfachheit. Dass ihr Humor nicht weniger ausgeprägt ist als der der Berliner, aber weniger spitz. Dass sie gerade heraus sind und pragmatisch (man musste halt schon immer mit dem auskommen, was man hatte). Dass sie auf dem Dorf zusammenhalten. Und dass sie eins wirklich nicht mögen: wenn Leute von woanders großkotzig Häuser, Äcker und Wald kaufen und dann gleich alles besser wissen. Die Brandenburger Schriftstellerin Juli Zeh hat ein solches Szenario in ihrem Roman „Unterleuten“ beschrieben.

Eigentlich ist im näheren und weiteren Speckgürtel rund um Berlin aber vielerorts längst eine durchaus funktionierende Stadt-Land-Mischkultur entstanden. Viele Berliner verwirklichen in Brandenburg ihren Traum vom Landleben. Es gibt eine Reihe interessanter Projekte – Coconat in Bad Belzig zum Beispiel, eines der ersten Coworking Spaces in Brandenburg, wo sich Kreative zum Schreiben oder zum Brainstorming mit Gleichgesinnten zurückziehen. Oder das Projekthaus in Potsdam, ein Mehrgenerationenprojekt mit Werkstätten und Kursangeboten. Überall findet man besondere Orte: zu Ferienwohnungen umgebaute Herrenhäuser,  Permakultur-Farmen, kreative Lernorte, Hofläden, Töpfereien, Biobauernhöfe, Kunstprojekte. Es gibt also jwd auch viel Spannendes zu entdecken.

Kurz und knackig

Brandenburgs größter Schatz ist die Natur – das Bundesland hat 15 Nationale Naturlandschaften, die etwa ein Drittel der Landesfläche einnehmen: elf Naturparke, drei Biosphärenreservate und den Nationalpark Unteres Odertal. Es gibt 3000 Seen und 30.000 Kilometer Flüsse, weshalb das Umland von Berlin als wasserreichstes Bundesland Deutschlands gilt. Der Tourismus wächst seit Jahren langsam aber ziemlich stetig – 2019 waren es schon fast 14 Millionen Übernachtungen. Wichtig ist für das Berliner Umland aber natürlich auch der Tagestourismus: Jährlich werden rund 92,3 Millionen Tagesreisen in und nach Brandenburg unternommen.

Herr Ober!

Im sandigen Boden Brandenburgs wachsen Kartoffeln, Teltower Rübchen und Beelitzer Spargel besonders gut. Letzterer gedeiht im Südwesten von Berlin zwischen Elbe, Havel und Spree. Neben Kartoffeln spielt natürlich Fisch aus den regionalen Seen und Flüssen eine wichtige Rolle in der Küche des Landes – und im Herbst auch Wild. Qualitätsvolles Leinöl ist ein gutes Souvenir. Ansonsten findet man noch ein paar regionale Spezialitäten: Knieperkohl aus der Prignitz, ein Gericht, das aus mehreren Kohlsorten gemacht wird. Hefeplinsen, eine Art Eierkuchen, die man vor allem im Spreewald macht. Oder Fürst Pückler Eis – eine Spezialität aus mehreren Eissorten. Die Brandenburger sitzen gern direkt am Wasser – und besonders gern, um dort auch zu essen. Ein paar Sternerestaurants und Spitzenköche gibt’s auch. Aber eigentlich liebt man’s hier eher einfach und unkompliziert, deshalb aber nicht weniger qualitätsvoll.

Die berlinern ja ooch

Tun sie das denn wirklich? Der Brandenburger selbst findet natürlich, dass es da schon große Unterschiede gibt. Aber letztendlich bezeichnet man die Sprechvariante in der Hauptstadt und drumherum als Berlin-Brandenburger Umgangssprache. Entstanden ist sie wohl aus einer Vermischung aus Niederdeutsch, das in Brandenburg ursprünglich weit verbreitet war, und dem Sächsischen, das südlich des Landes gesprochen wurde. Das Niederdeutsche, heute als eigene Minderheitensprache anerkannt, wird noch in der Prignitz und der Uckermark, aber auch im Havelland und im Fläming gesprochen. Man schätzt, dass etwa 30 Prozent der Brandenburgerinnen und Brandenburger noch mehr oder weniger gut niederdeutsch sprechen können. Und der Rest? Der berlinert halt, und zwar etwa so:

Du schnallst ooch jarnüscht, wa?! – Du bist aber schwer von Begriff!
Keene Haare uff'm Kopp, aba‘n Kamm inner Tasche! – Bezeichnung für einen Blender/Angeber
Lieba een bisken mehr, aba dafür wat Jutes – lieber ein bisschen mehr, aber dafür was Gutes
Det Kind wer'n wa schon schaukeln – das kriegen wir schon hin
ick freu mir – ich freue mich
Kiek ma – schau mal
weeste – ans Satzende angehängt: nicht wahr
schniecke – schön
oll – alt
(dit) fetzt – (das) macht Spaß
loofen – laufen
Beene – Beine

Titelbild: Die Gewässer der Uckermark eignen sich hervorragend für eine Tour mit dem Kanu © TMB-Fotoarchiv / Hendrik Silbermann

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