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Früher war sie ein schummriges Rotlichtviertel für Seeleute, in den 1960er- und 1970er-Jahren dann Sprungbrett für Musiker, wie die Beatles, und zugleich eine Meile für verstohlen-unverhohlenen Sextourismus. Seit den 90er-Jahren wandelt sich Hamburgs berühmteste Partymeile in ein Szeneviertel mit besonderem Flair. Hier liegen Bars und Musikclubs neben Kunstgalerien, Kabarett und Theaterhäusern, Musicalpalästen und edlen Restaurants. Ein Besuch auf der Reeperbahn.  

Auf der Reeperbahn nachts um halb eins
Ob du'n Mädel hast oder ob kein's
Amüsierst du dich
Denn das findet sich
Auf der Reeperbahn nachts um halb eins 

Hans Albers, Auf der Reeperbahn nachts um halb eins 1912

Die Reeperbahn ist Dreh- und Angelpunkt des Hamburger Nachtlebens im Viertel St. Pauli. Sie ist 930 Meter lang, gesäumt von Nachtclubs und Bars, Diskotheken und Kneipen. Vor allem die Seitenstraße Große Freiheit, der Hans-Albers-Platz sowie der Spielbudenplatz mit Panoptikum und Operettenhaus sind bei Touristen und Einheimischen gleichermaßen beliebt. An der Ecke Spielbudenplatz/Davidstraße befindet sich zudem die wohl bekannteste Polizeiwache Hamburgs, die Davidwache. Das Gebäude des Hamburger Polizeikommissariats 15 ist durch Film und Fernsehen auch über Hamburg hinaus bekannt geworden. Wenngleich das Polizeirevier mit nur knapp einem Quadratkilometer und etwa 14.000 Einwohnern das kleinste Revier Europas ist, kann von Langeweile für die Beamten keine Rede sein. Gerade am Wochenende ist auf der angrenzenden Reeperbahn einiges los. 

Parallel zur Reeperbahn verläuft die Herbertstraße, eine für Jugendliche und Frauen gesperrte Bordellstraße. Doch heute strömen die meisten Besucher ohnehin eher an den Rotlichtspelunken vorbei in die angesagten Musikclubs und Restaurants, Theater und Musicalhäuser. Leuchtende Schriftzüge blinken um die Wette und je später der Abend, um so voller werden die Straßen und ausgelassener die Menschen. Ob Liveband oder internationale DJs – in den Clubs ist die musikalische Vielfalt hoch. Legendäre Szenetempel sind und waren Golden Pudel Club und Mojo Club, das neue Molotow und der Hafenklang, Kaiserkeller und Große Freiheit 36, Prinzenbar und Moondoo. Schwer vorzustellen, dass die historische Reeperbahn mal ein Ort der Ausgestoßenen vor den Stadttoren Hamburgs war.

Lebensraum für Handwerker, Gastwirte und Prostituierte

Von 1618 bis 1648 herrschte in Deutschland Krieg. Um sich verteidigen zu können, wurden in Hamburg zahlreiche Hügel in den Vororten der Stadt planiert, um freies Schussfeld zu haben. So befanden sich Gebiete wie Eimsbüttel, Rotherbaum, St. Georg und eben auch der Hamburger Berg, das heutige St. Pauli, außerhalb der Festungswälle. Hier, mitten in der Schusszone, ließ sich nur nieder, wer in der Stadt unerwünscht war: Gastwirte, Prostituierte und unerwünschte Institutionen, wie der Pesthof, ein Krankenhaus für Seuchen und psychische Störungen. In den folgenden Jahren kamen außerdem Handwerker und Betriebe dazu, deren Arbeit viel Platz benötigte, das Wasser verschmutzte, stark roch oder viel Lärm machte.  

Ab dem Jahr 1630 lagerten so auch die Reepschläger und Seilermacher ihre Arbeit auf den Hamburger Berg aus. Die alten Bahnen am Eichholz, unweit der heutigen Landungsbrücken, waren mit der Zeit zu klein geworden. Denn eine wichtige Grundvoraussetzung für ihre Arbeit waren langen Bahnen, auf denen die bis zu 300 Meter langen Seile von Hand hergestellt wurden. Diese Tätigkeit gab der um 1820/30 angelegten Altonaer Allee ihren späteren Namen – Reeperbahn. Von dieser Zeit zeugt auch noch die parallel zur Reeperbahn verlaufende Seilerstraße.

Wer noch niemals in lauschiger Nacht
Einen Reeperbahnbummel gemacht
Ist ein armer Wicht
Denn er kennt dich nicht
Mein Sankt Pauli, Sankt Pauli bei Nacht

Ralph Arthur Roberts, Song: Auf der Reeperbahn nachts um halb eins 1912

Vom Handwerksviertel zur Amüsiermeile

Neben Handwerkern siedelten sich im 17. Jahrhundert auch zahlreiche Amüsierbetriebe hier an. Ein Spielbudenplatz und ein Jahrmarkt wurden auf dem Gebiet ansässig. Im 18. Jahrhundert wurde der Vorort Hamburger Berg bei den Stadtbewohnern als Ausflugsziel immer beliebter. Besonders genossen sie die Spaziergänge auf und vor den Wallanlagen. Im Laufe der folgenden Jahre wuchs das Amüsierviertel. Es gab Attraktionen wie die Camera obscura, Schlangenbeschwörer, Tierbändiger und Bauchredner. Auch zahlreiche Bordelle wurden eröffnet. Es entstanden Tanzsäle und Theater mit klassizistischen Steinfassaden. Beliebt waren der Circus Gymnasticus, das Elysium oder auch das 1841 als Urania-Theater gegründete und bis heute bestehende St. Pauli Theater. Es ist nicht nur das älteste Privattheater der Stadt, sondern auch eines der ältesten Theater Deutschlands. 1879 eröffnete das Panoptikum, ein Wachsfigurenkabinett, seine Pforten. Bis heute sind viele dieser Attraktionen dem Kiez, wie das Viertel heute gerne genannt wird, erhalten geblieben. 

Auch Musicalbegeisterte kommen auf der Reeperbahn auf ihre Kosten. Im Operettenhaus werden regelmäßig Musicals aus aller Welt aufgeführt. Große Bühnenkunst gibt es auch in den drei wohl berühmtesten Theatern in St. Pauli: das 1988 eröffnete Schmidt Theater, das Schmidts Tivoli, das 1991 seinen Spielbetrieb aufnahm, und das jüngste und kleinste Theater der Schmidt-Familie – das 2015 im Klubhaus St. Pauli eröffnete Schmidtchen.  Ein Dauerbrenner ist das Stück „Heiße Ecke“, das 2003 erstmals im Tivoli aufgeführt wurde. Zudem ist Hamburgs bekannteste Straße Schauplatz in vielen Filmen, darunter „Der letzte Lude“ aus dem Jahr 2003 und „St. Pauli Nacht“ von 1998. Die Filme „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“ von 1954 und „Große Freiheit Nr. 7“ aus dem Jahr 1944 gehören zu den Klassikern der Filmgeschichte.

Komm doch, liebe Kleine, sei die meine, sag' nicht nein
Du sollst bis morgen früh um neune meine kleine, liebste sein
Ist es dir recht, na dann bleib' ich dir treu sogar bis um zehn
Hak' mich unter, wir wollen zusammen mal bummeln gehen

Ralph Arthur Roberts, Song: Auf der Reeperbahn nachts um halb eins 1912
Während dem Reeperbahnfestival treten zahlreiche Livebands auf, wie hier in der Prinzenbar im Traditionsclub Docks
Während dem Reeperbahnfestival treten zahlreiche Livebands auf, wie hier in der Prinzenbar im Traditionsclub Docks © Mediaserver Hamburg / Konstantin Beck

Das Reeperbahn Festival

Jedes Jahr Ende September setzen die Clubs, Bars und Theater im Kiez vier Tage lang noch einen drauf (falls das überhaupt noch möglich ist). Das Reeperbahn Festival ist Europas größtes Clubfestival. Mehr als 900 Programmpunkte gibt es dann rund um die Reeperbahn. Es zählt zu den wichtigsten Treffpunkten der Musikwelt, mehr als 35.000 Gäste besuchen das Festival jährlich. In über 70 großen und kleinen Spielstätten und auf Freilichtbühnen gibt es dann noch mehr zu entdecken.  

Am besten schlendert ihr einmal selbst über den Kiez und lasst euch ein auf den Rhythmus der Nacht, macht eigene Entdeckungen in Eckkneipen, Hinterhoftempeln und Souterrainbars und verschafft euch einen eigenen Eindruck dieser einzigartigen Meile.

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Titelbild: Sie ist die wohl berühmteste Seitenstraße der Reeperbahn: die Große Freiheit © Mediaserver Hamburg / Konstantin Beck

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