Natürliche Gesundheit ist ein Megatrend. Doch der vor 200 Jahren geborene Pfarrer Sebastian Kneipp wusste schon damals, was den Menschen stark macht. Seine Naturheillehre ist heute aktueller denn je und nicht nur in Bayern sehr beliebt. Auch auf der Ostseeinsel Rügen haben sich ihr viele Gastgeber und Anbieter verschrieben.

René Geyer zum Beispiel, das ist so einer. Naturführer, Pflanzenkenner, Kräuterexperte. Einer, der die Leute mitreißt. Der erzählen kann und zeigen und erklären. Jemand, der bei botanischen Laien während einer Wanderung Interesse für die Senfnoten des Hederichs erweckt oder für die blauen Blüten der Ochsenzunge – so jemand schafft es auch locker, Menschen für Kneipp zu begeistern. Ja, richtig gehört: Kneipp! René Geyer steht auf einer Wiese in den Zicker Bergen, wo Rügen so ein bisschen aussieht wie Irland, steht da im frischen Ostseewind und beginnt zu erklären: Dass bei Kneipp ja immer alle nur an Armbäder, hochgekrempelte Hosenbeine und nackte Altmännerfüße denken würden. Dass da immer was von Krankenkassen-Kuren in Oberbayern mitschwinge. Dass es aber bei der Lehre dieses Sebastian Kneipps doch um viel mehr gehe als bloß um dieses Wassertreten. Geyer bückt sich, rupft ein Pflänzlein aus und reckt es triumphierend in die Höhe: „Wilder Majoran! Schmeckt göttlich zu Tomate mit Mozzarella! Ernährt euch gesund! Auch das ist Kneipp!“

Tatsächlich basiert die Lehre des bayerischen Naturheilkundlers (der 1821 geboren wurde, also vor 200 Jahren) auch auf gesunder Ernährung und der Wirkung von Heilpflanzen – als zwei von fünf Säulen. Die anderen, also außer besagtem Wassertreten, das gut für die Blutgefäße ist und die Abwehrkräfte stärkt? Entspannung – und viel Bewegung an der frischen Luft. Also alles Dinge, die zu jedem Urlaub auf der Ostsee-Insel sowieso schon dazu gehören. Vor allem in Göhren und auf der Halbinsel Mönchgut hat man das schon länger erkannt. Etliche Solo-Unternehmer und kleine Betriebe helfen in Deutschlands einzigem Seebad, das gleichzeitig über das Prädikat Kneippkurort verfügt, dabei, die berühmte Naturheilkundelehre umzusetzen. Einer von ihnen: René Geyer, bei dessen Naturspaziergängen man in zwei Stunden mehr über Kräuter und deren Heilkräfte erfährt als früher in neun Schuljahren. Er ist schon weitergelaufen, weil er weiter hinten auf der Wiese irgendwelche gelben Knospen entdeckt hat, „die riechen wie Honig! Und daneben wächst Taubenkropf-Leimkraut! Das müsst Ihr probieren!“

Gut die Hälfte des früher bekannten Kräuterwissens sei mit der Zeit verloren gegangen, schätzt Geyer, und wahrscheinlich würden ihm Christina und Peter Knobloch in Göhren da sofort zustimmen. Die beiden betreiben in ihrer lichtdurchfluteten Villa mit Sonnenhof eine Kochschule, in der Gäste genau das lernen können: Gesundes Kochen mit Kräutern und Gemüse. Viele Zutaten wachsen in einem wunderbaren Garten hinterm Haus; 2.000 Quadratmeter, auf denen Besuchern bei jedem Schritt ein anderer Duft um die Nase weht. In der angeschlossenen Manufaktur stellen die Knoblochs eigene Gewürzmischungen und Tees her, für die jedes einzelne Blütenblatt mit der Hand gepflückt wird. Jedes einzelne! „Wenn man das macht, ist das irgendwann wie eine Meditation“, meint Peter Knobloch. „Blüte für Blüte für Blüte - man glaubt gar nicht, wie tiefenentspannend das ist.“ Er überlegt kurz. „Auch das ist eigentlich Kneipp, oder?“

Ist es - Entspannung gehört zu einem Urlaub im Sinne Kneipps unbedingt dazu. „Und wenn jemand während einer Anwendung eindöst, weiß man: Es funktioniert!“ Das kommt jetzt von Sebastian Stegemann. Der ist Masseur und medizinischer Bademeister im Kur- und Wellnesscenter Mönchgut, in dem Rügen-Urlauber Wellness- und Gesundheitsangebote ausprobieren können. Besonders beliebt sind Packungen mit Heilkreide von der Insel. Rügens weißes Gold wird mit Wasser vermischt, mit ein paar Tropfen Sanddornöl zum Duften gebracht und anschließend aufgetragen: „Regt den Stoffwechsel an und regeneriert“, sagt Stegemann. „Und außerdem kann man dabei wunderbar entspannen.“

Ach ja. Bei so viel gutem Essen und derart tiefer Entspannung ist es gut, dass es auf Rügen auch Leute wie Georg Heissler gibt, die sich um die vierte Säule des Kneipp-Konzepts kümmern. Sein Unternehmen Discover Rügen bietet zwischen Ostern und Oktober über vierhundert Aktivitäten an – vom Yoga bis zur Bernsteinsuche. Und Radtouren, natürlich, die auch. Zu Rügen gehörte das Radeln ja schon immer dazu – seit dem Bike-Boom der jüngsten Vergangenheit aber könnten die Verleiher auf der Insel wahrscheinlich auch die doppelte Zahl an Fahrrädern an den Urlauber bringen. Ist aber auch ein Traum hier! Auf den Radwegen über Mönchgut warten kaum Höhenmeter, stattdessen aber diese endlosen Horizonte unter dem blau gespannten Ostseehimmel, für den Rügen berühmt ist. „Wenn man will, kann man hier einen ganzen Urlaub unterwegs sein und muss keine Strecke doppelt fahren“, sagt Heissler. Und dann ist man noch nicht gejoggt und auch noch nicht gewandert. Sebastian Kneipp hätte sich wahrscheinlich ziemlich wohl gefühlt auf dieser Urlaubsinsel hoch oben im Nordosten. 

Und er wäre begeistert gewesen, wie auf Rügen selbst schon die Allerkleinsten an seine Lehre herangeführt werden. Das macht zum Beispiel Martina Hoppe. Sie ist Leiterin der vom Kneipp-Bund anerkannten DRK-Kita „Strandgut“ in Göhren und gleichzeitig Zweite Vorsitzende des örtlichen Kneipp-Vereins.

Und der hat es sich zur Aufgabe gemacht, die berühmte Heilmethode aus dem 19. Jahrhundert so in die Gegenwart zu übertragen, dass schon die Kleinsten spielerisch mitmachen. Statt im tiefen Kneipp-Becken waten die Kita-Kinder am Strand im flachen Ostseewasser (und nennen den typischen Storch-im-Salat-Gang dann Storch-im-kalten-Meer-Gang). Und für Armbäder gibt es pinkfarbene Kuchenbackformen. „Die Becken sind für die Kinder ja viel zu groß. Und solche bunten Farben finden die eh besser. Man muss da flexibel sein.“ Sie denkt einen Moment lang nach. „Eigentlich kann man mit den richtigen Ideen jeden für Kneipp begeistern, nicht bloß Kinder“, meint Martina Hoppe dann. „Man muss den Leuten bloß erklären, dass Kneippen richtig Spaß machen kann.“  

Obwohl selten der Name „Kneipp“ draufsteht, ist Kneipp überall auf Rügen. Deswegen ist sich Martina Hoppe auch sicher, dass die Lehre des Naturheilkundlers auf der Insel eine große Zukunft hat. Schließlich bekommt sie die Begeisterung jeden Tag in der Kita mit.

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Titelbild: Wohltuend und erfrischend: Ein Gang durchs kneipp'sche Becken regt den Kreislauf an © TMV/Tiemann

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