Als Ehre gilt es in Ostfriesland, zum Tee eingeladen zu werden. Bekommt man als Ostfriese oder auch als „Außerfriesischer“ bei einer traditionsbewussten Familie nach einer Viertelstunde noch keinen Tee angeboten, ist man mit ziemlicher Sicherheit nicht willkommen.

Leseprobe aus Dumont Bildatlas: Deutschland – Ferien an der See

Dieser Artikel stammt aus dem Buch Deutschland – Ferien an der See aus dem DuMont Reiseverlag. Dort findet ihr auf 204 Seiten zahlreiche Aktiv-Tipps und von den Autoren/-innen getestete Empfehlungen für jeden Geschmack: Eine Nachtwanderung zum Festland, ein Schnupperkurs im Strandsegeln, ein Ritt durchs Wattenmeer, Inselhopping, Abschalten und Auftanken in Wellnesstempeln an der Ostsee, Nordic Walking in der Holsteinischen Schweiz oder Wandern auf einem Abschnitt des Wanderweges E9.

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Tee wird in Ostfriesland nicht getrunken, das Teetrinken wird zelebriert. Gemütlich sollte es sein zur „Teetied“, am Nachmittag oder auch beim „Elführtje“ am Vormittag. Sich selbst einzuschenken, gilt als höchstes Banausentum. Als Erstes wandert Kandis in die Tasse. Je größer das Stück desto willkommener der Gast, sagt man. Ein leises Klingeln, ein Knistern ertönt, wenn die heiße Flüssigkeit auf den „Kluntjes“ trifft. So ungefähr könnte es klingen, wenn ein Edelstein zerbricht. „Wohlklang“ nennen es die Ostfriesen schlicht und ergreifend. Auch die Sahne wird nicht einfach so in die feinwandige Tasse gekippt, sondern mit einem angewärmten Löffel, dem „Rohmlepel“, aufgelegt. Wie in einem Gemälde verteilt sich das „Sahnewölkchen“. Mit Kandis und „’n Wulkje Rohm“, man trinkt den Tee hier so, weil „dat so mutt“. Was dagegen überhaupt nicht sein muss, ist, mit dem Löffel in dem Kunstwerk herumzurühren.

Getrunken wird in drei Abteilungen. Zuerst die milde Sahne an der Oberfläche, dann die Mitte, wo sich der eher herbe, intensive Geschmack des Tees entfaltet. Als „Nachtisch“ etwas Süßes – den teilweise aufgelösten Kandis in einer Pfütze Tee. „Dree is Oostfreesenrecht“, heißt es – zweimal darf man also nachbitten. 1610 brachten erstmals Schiffe der „Niederländischen Ostindien-Kompanie“ Tee nach Europa. Seit Beginn des 18. Jahrhunderts importierten die Ostfriesen die kostbaren Blätter selbst. Längst gibt es genug Tee für alle. Und so liegt die Hauptaufgabe der Teetester darin, jedes Jahr aufs Neue eine exakt gleich schmeckende Mischung – hauptsächlich aus Assam-, Ceylon- und Darjeeling- Tees komponiert – zu zaubern, was der Quadratur des Kreises gleichzukommen scheint. Sie schaffen es trotzdem. Etwa 50 000 Teesorten sind jedes Jahr auf dem Markt. Und keine von ihnen schmeckt genau so wie im Vorjahr. Also muss immer wieder neu getestet und gemischt werden. Denn schmeckt den Ostfriesen ihre Mischung anders als gewohnt, hagelt es harsche Beschwerden.

Museen

Ostfriesisches Teemuseum, Norden, Am Markt 36, Tel. 04931 12 10 0, www.teemuseum.de; tgl. 10.00–17.00, Teezeremonie Di., Mi. und Sa 14.00 sowie Fr. 11.00 Uhr

TeeMuseum, Sammlung Oswald-von Diepholz, Norden, Am Markt 33, Tel. 04931 13 80 0, www.teemuseum-norden.de; Ostern–Okt. Di.–So. 12.00–17.00, Führungen Di., Mi., Fr. und So. 13.00 und 15.00 Uhr

Leseprobe aus dem DuMont Bildatlas „Deutschland – Ferien an der See“

Titelbild: Damit’s ordentlich knistert: Zuerst kommen große weiße Kandisklumpen in die Tasse. Dann wird der Tee eingegossen und zum Schluss mit dem „Rohmleppel“ ein Sahnewölkchen in den Tee gelegt © picture alliance / DUMONT Bildarchiv, Martin Kirchner

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