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Der Fischerort Freest liegt malerisch am Greifswalder Bodden nahe der Peenemündung. Die zahlreichen, auf den Wellen der Ostsee tanzenden Fischkutter erzählen die Geschichte des größten Fischereihafens der Region – und Dirk Baumann natürlich.

Freest

Zwei Möglichkeiten, sagt Dirk Baumann, genau zwei Möglichkeiten gäbe es: „Wenn Besucher nach Freest kommen, dann spazieren sie erst an den Hafen und gehen dann in einer unserer Fischgaststätten essen.“ Kleine Pause. „Oooooder die Leute gehen in einer unserer Fischgaststätten essen und anschließend am Hafen spazieren…“ Nur wer genau hinschaut, sieht, wie Dirk Baumann, dieser kernige Typ im karierten Baumwollhemd, leise in sich hineinlächelt. Die typisch norddeutsche Wortkargheit, dieses nüchterne „Auf-den-Punkt“-Kommen hat er perfekt kultiviert. In Freest sind die Leute halt mitunter so – diesem geschichtsträchtigen Fischerort auf dem Weg nach Usedom.

Erstmals tauchte er unter dem Namen Vrestenuiz im Jahre 1179 in einer Urkunde auf. Der slawische Name bedeutet übersetzt übrigens Heidekraut. Was einigermaßen verwundert, denn wenn in der Freester Geschichte eines im Vordergrund stand, dann sicher kein Heidekraut, sondern Fisch in allen Größen und Varianten. So wie Dirk Baumann es in seinem Bonmot über die Sehenswürdigkeiten seiner Heimat bereits angedeutet hat.

Er weiß, wovon er spricht: Seit 1983 ist der Mann Ostseefischer, steht in aller Herrgottsfrühe auf, um mit seinem Kutter jeden Tag aufs Neue auszulaufen. „Der Ort Freest ist schon immer mit der Fischerei verbunden gewesen, einen größeren Fischereihafen gibt es an der ganzen Küste nicht“, sagt er in seiner trocken-vergnügten Art. Und: „Wir haben hier vom kleinen Viereinhalb-Meter-Boot mit Außenborder bis zum 17-Meter-Kutter alle Größen von Schiffen. Die kleineren machen hauptsächlich Stellnetz-Fischerei, die größeren Schleppnetz.“

Noch heute verkaufen die rund 20 Fischer in Freest, die noch vom Fischfang leben, ihren Fang im Hafen direkt vom Kutter. So könnt ihr sicher sein: Frischer gehts nicht! Welche Fische angeboten werden, hängt von der Jahreszeit ab: „Je nach Temperatur kann man im Januar und Februar schon anfangen, Heringe zu fischen“ sagt Dirk Baumann, „dann folgen Hornfische und anschließend ist Steinbutt-Saison. Parallel zum Steinbutt kann man schon Flundern fangen, und je nach Temperatur und Windrichtung sind im Mai dann auch Dorsche im Netz.“

Bei der Frage, was man denn als Gast sonst noch so in Freest erleben könne, muss Dirk Baumann nicht lange nachdenken: „Wir haben hier ein Heimatmuseum, in dem man die wertvollen Fischerteppiche aus Freest anschauen kann!“ Zum Hintergrund: Was als verrückte Idee des damaligen Landrates begann, um die Haushaltskassen klammer Fischerfrauen aufzubessern, hat sich bald zum echten Kulturgut der Region entwickelt: Seit 1928 werden die Teppiche in Freest, Lubmin und einigen anderen Dörfern an der Ostseeküste geknüpft. Sie überdauern Generationen. Ihre Schöpfer sagen: „Ein Fischerteppich wird erst dann richtig schön, wenn ein Regiment Soldaten darüber marschiert ist.“ Besitzer von Freester Fischerteppichen gibt es heute in der ganzen Welt, bei einigen wenigen Teppichkünstlerinnen der Region können heute noch solche Teppiche bestellt werden.

Neben dem Heimatmuseum ist aber auch die alte Bootswerft in Freest eine ganz besondere Anlaufstätte für Menschen, die einen Sinn für Nostalgie und ehrliches Handwerk haben. Nachdem die Werft von 1889 schon fast dem Verfall preisgegeben worden war, übernahm sie die Bremerin Kirsten Dubs 2006 und führt diese historische Werkstätte seitdem mit Herz und solidem Können. Traditionelle Kulturtechniken am Leben zu erhalten, das ist das Anliegen der leidenschaftlichen Handwerksmeisterin im Boots- und Schiffbau.

Ein kleiner Tipp für angehende Bootsleute und Angelfreunde: Bei unserem letzten Besuch in Freest standen in der Werft mit dem Motorboot Tonki und dem Krabbenkutter Jonathan – einer Schönheit aus Eichenholz aus dem Jahre 1939 – gleich zwei interessante Boote zum Verkauf… Aber das dürfte für Menschen, die nicht im rauen Ostseewasser groß geworden sind, eher keine ernsthafte Option sein… Schließlich ist das Leben an der Ostsee nicht so einfach, da muss man schon über so ein kerniges Gemüt verfügen, wie Dirk Baumann. Der würde dem Spruch, den sich Kirsten Dubs in ihrer Werft auf einem Holzbrett an die Wand genagelt hat, ganz sicher zustimmen, wenn auch nur kaum vernehmbar: „Federn lassen und dennoch schweben – das ist das Geheimnis des Lebens.“

Titelbild: Bei der richtigen Temperatur kann man die ersten Heringe schon im Januar fangen © TMV/pocha.de

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